Gedanken zur aktuellen Sterbehilfediskussion aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin
Gedanken zur aktuellen Sterbehilfediskussion aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin
0 Zum Wirrwarr der Begrifflichkeiten
1 H. Melching Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. , Berlin , Deutschland
Der Schmerz 1
-
Unerträgliches Leid und Schmerzen
werden in der momentanen Debatte zur
Sterbehilfe immer wieder als ein Argument
herangezogen, um Suizidwilligen eine
„professionelle“ Hilfe zukommen zu
lassen. Auf der anderen Seite betonen
Mediziner, dass eine suffiziente
Schmerztherapie in nahezu allen Fällen in der Lage
ist, Schmerzen auf ein erträgliches Maß
zu reduzieren, und die Palliativmedizin
Leidenszuständen auf den
unterschiedlichen Ebenen effizient begegnen kann.
Dennoch bleibt in weiten Teilen der
Bevölkerung die Angst vor dem, was am
Lebensende auf einen zukommen kann; die
Angst vor einem würdelosen Sterben.
Wobei Begriffe wie „Würde“,
„Selbstbestimmung“ und „Freiverantwortlichkeit“
von allen Seiten teilweise in
unerträglicher Weise überstrapaziert werden.
Die aktuelle Diskussion, und vor
Allem die Berichterstattung in den
Medien, scheint wenig dazu beizutragen
vorhandene Ängste zu minimieren, sondern
verstärkt diese teilweise sogar. Ein Grund
hierfür liegt sicherlich in dem großen
Wirrwarr der Begrifflichkeiten und
deren unklarer Verwendung, sowie der
Umstand, dass nicht eindeutig ersichtlich ist,
ob die unterschiedlichen Positionen und
insbesondere die vorliegenden
Gesetzesinitiativen eine Liberalisierung oder
eine Verschärfung der aktuellen
Rechtssituation zum Ziel bzw. zur Folge haben.
Auch dem in allen Vorlagen postulierten
Wunsch, Rechtssicherheit zu schaffen,
werden die vorliegenden Entwürfe
weitestgehend nicht gerecht.
Immer wieder tauchen in
Medienberichten, Stellungnahmen und
Positionspapieren die Begriffe „aktive“, „passive“ und
„indirekte“ Sterbehilfe auf, die dann
teilweise auch noch nach Belieben
modifiziert und „verschlimmbessert“ werden,
wie bspw. im Spiegel (Nr. 6/2014), wo der
Begriff „indirekte aktive Sterbehilfe“
kreiert wurde, oder in einem aktuellen
Glossar der Deutschen Palliativstiftung, die
vorschlägt, nunmehr von „aktiver
Lebensverkürzung“ (als Sammelbegriff für aktive
und passive Sterbehilfe, Suizidbeihilfe und
Tötung auf Verlangen) zu sprechen. Fakt
ist, dass keiner dieser Begriffe in
irgendeinem deutschen Gesetz und auch nicht
in der Musterberufsordnung oder den
Grundsätzen zur Sterbebegleitung der
Bundesärztekammer auftauchen. Sicher
ist auch, dass genau diese Definitionen
bereits in der Vergangenheit zu großer
Unsicherheit und Missverständnissen geführt
haben. So hat z. B. eine Untersuchung
gezeigt, dass selbst Vormundschaftsrichter
diese Begriffe hinsichtlich ihrer
rechtlichen Relevanz nicht richtig einordnen
konnten. Dabei gaben z. B. 34,5 % der
befragten Richter an, dass die Beendigung
einer künstlichen Beatmung als
unzulässige „aktive Sterbehilfe“ zu betrachten sei,
obwohl eine solche Maßnahme seit jeher
nicht nur erlaubt ist, sondern sogar
verpflichtend umgesetzt werden muss,
sofern es dem Wunsch des Patienten
entspricht oder keine Indikation hierzu
vorliegt. Vor diesem Hintergrund scheint es
also fraglich, welche Aussagekraft die
immer wieder herbeigeführten
Umfrageergebnisse haben, die darauf verweisen, dass
eine große Mehrzahl der Deutschen sich
für „aktive Sterbehilfe“ ausspricht.
Viele der Befragten werden hierunter
ebenfalls den Verzicht oder die Beendigung
einer lebenserhaltenden Maßnahme
verstehen. Ebenso begründen sich viele der
aktuell im Umlauf befindlichen
Umfrageergebnisse von Organisationen, Verbänden
und Fachgesellschaften auf eine
eklatante Unkenntnis bezüglich der rechtlichen
Situation in Deutschland. Somit sollte in
der Diskussion sorgfältig darauf geachtet
werden, welche Begriffe verwendet
werden und was damit gemeint ist. Es muss
klar werden, ob die strafbare Tötung auf
Verlangen gemeint ist, die zulässige
Hilfe zum Suizid oder gar die Beendigung
einer Behandlung, die sogar zwingend
vorgeschrieben ist, sofern dies dem
Patientenwunsch entspricht.
Hinsichtlich dieses Umstandes ist es
auch zwingend geboten, über
Patientenrechte und die Möglichkeiten der Hilfe
beim Sterben aufzuklären, und zwar noch
bevor über die besonderen Möglichkeiten
der Palliativmedizin und
Hospizbegleitung diskutiert wird.
Was dürfen wir –
was können wir?
Die rechtliche Situation in Deutschland
ist denkbar einfach. Verboten ist die
Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB), womit
gemeint ist, dass niemand einen anderen
Menschen töten darf; auch nicht, wenn
Dieser Artikel beruht auf einem Beitrag für die
Fachzeitschrift F&W („führen und wirtschaften
im Krankenhaus“).
Infobox 1 Grundsätze der BÄK
zur ärztlichen Sterbebegleitung:
dieser es wünscht. Eine Änderung dieses
§ 216 StGB sieht keiner der aktuell
vorliegenden Gesetzesentwürfe vor. Nicht
verboten ist hingegen der Suizid, was zur
Folge hat, dass auch die Beihilfe hierzu
keinen Straftatbestand darstellt, solange die
Selbsttötung als freiverantwortlich zu
bezeichnen ist und dem Willen des
Suiziden (...truncated)