Die Intensivstation zu überleben ist vorrangiges Ziel, doch allein nicht genügend

Der Nervenarzt, Feb 2016

Prof. Dr. Dr. H.-P. Kapfhammer, S. Schwab

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Die Intensivstation zu überleben ist vorrangiges Ziel, doch allein nicht genügend

Die Intensivstation zu überleben ist vorrangiges Ziel, doch allein nicht genügend H.-P. Kapfhammer 1 S. Schwab 0 0 Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen , Erlangen , Deutschland 1 Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Medizinische Universität Graz , Graz, Österreich - Die Erfolge der modernen Intensivmedizin sind unbestritten. Selbst vital schwer gefährdete Patienten, die noch vor Jahrzehnten schicksalhaft verstorben wären, besitzen eine realistische Überlebenschance. Intensivmedizinisches Handeln unterliegt hierbei denselben ethischen Prinzipien wie auch in der übrigen Medizin, nämlich Gutes zu tun, nicht zu schaden, die Autonomie eines Patienten zu wahren und gerecht zu handeln. Unter intensivmedizinischen Bedingungen erfahren diese Maßstäbe jedoch sehr häufig eine konflikthafte Zuspitzung. Das Leben eines Menschen zählen wir zu den höchsten Gütern, es zu erhalten, nennen wir gutes Handeln. Intensivmedizinische Therapie bedeutet für den einzelnen Patienten wie auch für seine Angehörigen aber oft höchste psychophysische Belastungen. Diese können mit einschneidenden Bedrohungen der leiblichen Integrität und personalen Identität einhergehen. Nicht in jedem Fall ist die erhoffte Wiederherstellung von Gesundheit möglich. Überlebensraten gelten weiterhin als basale Kennziffern der intensivmedizinischen Versorgungsqualität. Doch auch nach überstandener Intensivstation sind erhöhte Morbiditäts- und Mortalitätsraten, bleibende körperliche Funktionsdefizite, gravierende Einbußen in der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, bedeutsame affektive und kognitive Konsequenzen für eine multimodale Outcomeforschung kritisch zu reflektieren. Die subjektive Auseinandersetzung mit und die persönliche Werthaltung eines überlebenden Patienten zu diesen körperlichen, kognitiven und emotionalen Langzeitfolgen, die vereinheitlichend als „Post-intensive-care-Syndrom“ (PICS) umschrieben werden, fällt in Abhängigkeit von der Persönlichkeit, der Lebensgeschichte, des familiären und sozialen Umfelds sehr unterschiedlich aus. Sie kann mit einem hohen Leidensgrad auf Dauer einhergehen. Das vorliegende Schwerpunktheft von Der Nervenarzt nimmt einige dieser Aspekte in einer interdisziplinären Perspektive auf. Es möchte ein spezielles Augenmerk einerseits auf neurologische und psychische Langzeitfolgen und andererseits auf psychologische und psychosoziale Ansätze zur Unterstützung für die Patienten und ihre Angehörigen sowie für die Behandler selbst während eines Aufenthalts auf Intensivstation richten. » CIP und CIM tragen unabhängig zur 1-JahresMortalität bei Die Neurologie kennt in ihrer eigenständigen Spezialisierung eine Fülle von intensivmedizinischen Aufgabenstellungen wie z. B. auf einer Stroke-Unit. In einer allgemeinen intensivmedizinischen Perspektive wird sie vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Krankheitsbilder herausgefordert, die Criticalillness-Polyneuropathie (CIP) und die Critical-illness-Myopathie (CIM), die beide auch unter der Bezeichnung „intensive care unit acquired weakness“ (ICUAW) zusammengefasst werden. Rainer Kollmar gibt einen präzisen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu diesen beiden neuromuskulären Störungen. Die Häufigkeiten sind schon während der Akutbehandlung hoch. CIP und CIM sind mit längeren stationären Verweildauern insgesamt sowie speziell mit der Dauer einer mechanischen Respiration assoziiert. Die neuromuskulären Defizite erholen sich typischerweise im Laufe von einigen Wochen bis Monaten, bei einer Subgruppe können sie jedoch über Jahre persistieren. CIP und CIM tragen offenkundig unabhängig zur 1-JahresMortalität bei. Bedeutsame Einbußen in den Alltagsaktivitäten sowie in der Lebensqualität sind als Korrelate festzuhalten. Die Ursachenklärung von CIP und CIM ist nach wie vor unvollständig. Sepsis, systemische Inflammation (SIRS) und multiples Organversagen sind wichtige Risikofaktoren. Vasopressoren, Aminoglykosiden, Kortikosteroiden und neuromuskulären Blockern kommt als häufig in der Intensivmedizin eingesetzten Substanzen eine mögliche pathogenetische Relevanz zu. Dysregulationen im Glukosemetabolismus werden zentral beachtet. In prophylaktischer Hinsicht stehen eine gezielte Korrektur hyperglykämischer Spitzen mittels Insulingaben, frühe Mobilisierungsversuche und physiotherapeutische Übungen bei möglichst reduziertem Sedierungsniveau im Vordergrund. Eine Restriktion der Proteinzufuhr während der ersten Woche auf Intensivstation zielt auf eine Unterstützung notwendiger katabolischer Pfade, um die Qualität und Funktionalität der Muskelgruppen nach Möglichkeit zu erhalten. » Kognitive Dysfunktionen sind noch nach einem Jahr nachzuweisen Akute kognitive Dysfunktionen treten bei intensivpflichtigen Patienten vorrangig als Delir auf. Die Inzidenzraten betragen vor allem bei Patienten mit mechanischer Beatmung über 80 %. Ursächlich ist neben den speziellen Konstellationen der Grunderkrankung vor allem den pathophysiologische (...truncated)


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Prof. Dr. Dr. H.-P. Kapfhammer, S. Schwab. Die Intensivstation zu überleben ist vorrangiges Ziel, doch allein nicht genügend, Der Nervenarzt, 2016, pp. 233-235, Volume 87, Issue 3, DOI: 10.1007/s00115-016-0079-z