Klug entscheiden
Klug entscheiden
G. Hasenfuß 2
E. Märker-Hermann 1
M. Hallek 0
C. Sieber 3 4
Es ist unbestritten
dass das übergeordne- te Ziel unseres Gesundheitssystems die Gewährleistung der bestmöglichen Qua- lität in der Versorgung unserer Patienten ist. Um dies zu erreichen
müssen alle drei Ebenen der medizinischen Versorgungs- qualität auf hohem Niveau liegen
. Während die Strukturqualität die grund- legende fachliche Qualifikation und die apparativ-technische Voraussetzung ein- schließlich der Hygienemaßnahmen be- schreibt
definiert die Ergebnisqualität den Erfolg einer Behandlung im Hinblick auf Patientenzufriedenheit
Komplikati- onen
Lebensqualität und Sterblichkeit. Schließlich definiert die Prozessqualität den Ablauf der Diagnostik und Thera- pie. Sie beinhaltet die Indikationsqualität und damit das „Wie“ des medizinischen Vorgehens.
0 Klinik I für Innere Medizin , Uniklinik Köln, Köln , Deutschland
1 Klinik für Innere Medizin IV, Helios Dr. Horst-Schmidt-Kliniken GmbH , Wiesbaden , Deutschland
2 Herzzentrum, Klinik für Kardiologie und Pneumologie, Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August- Universität , Göttingen , Deutschland
3 Institut für Biomedizin des Alterns (IBA), Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg , Nürnberg , Deutschland
4 Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Geriatrie, Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg , Regensburg , Deutschland
Der Internist
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» Die korrekte
Indikationsstellung ist die Basis für ein
qualifiziertes ärztliches Handeln
Die korrekte Indikationsstellung ist die
Basis für ein qualifiziertes ärztliches
Handeln. Bei falscher Indikation kann selbst
ein formal gutes Ergebnis nicht wirklich
als solches betrachtet werden und die
Prozessqualität wird zum Selbstzweck.
Leitlinien haben das übergeordnete Ziel,
die korrekte Indikationsstellung für
diagnostische und therapeutische
Maßnahmen evidenzbasiert zu vermitteln.
Darüber hinaus hängt die Qualität der
Indikationsstellung in hohem Maße von
der Betrachtung des individuellen
Patienten und der Erfahrung des
behandelnden Arztes ab.
Gerade in Anbetracht des rasanten
medizinischen Fortschritts und der
nahezu unbegrenzten Möglichkeiten ist
die evidenzbasierte, individuelle
ärztliche Beratung und Behandlung unserer
Patienten von großer Wichtigkeit.
Umso bedeutungsvoller ist gerade jetzt die
Qualitätsinitiative „Klug entscheiden“,
welche die Deutsche Gesellschaft für
Innere Medizin (DGIM) zusammen
mit allen internistischen
Schwerpunkten gestartet hat [
2
]. Sie identifiziert
diagnostische und therapeutische
Maßnahmen, die häufig nicht fachgerecht
erbracht werden. Dies beinhaltet sowohl
Überversorgung als auch
Unterversorgung und resultiert in einer
Negativbzw. Positivempfehlung.
» Nicht alles, was machbar ist,
muss auch gemacht werden
Die Klug-entscheiden-Empfehlungen
sollen den Ärzten bei der
Indikationsstellung als Hilfe dienen [
3, 4
]. Sie sollen
zudem den Patienten helfen, sich für
eine sinnvolle Maßnahme zu
entscheiden. Andererseits sollen die
Empfehlungen Ärzte unterstützen, wenn es
darum geht, einen Patientenwunsch nach
Durchführung einer nicht sinnvollen
Maßnahme zurückzuweisen.
Schlussendlich soll „Klug entscheiden“ auch
dafür sensibilisieren, dass nicht immer
alles gemacht werden muss, was
machbar ist. Die Grundeinstellung, möglichst
viel oder eben alles zu tun, wird uns
im Studium in die Wiege gelegt. Die
Faszination des Machbaren führt dann
unweigerlich zu einer Vernachlässigung
der Fokussierung auf das Notwendige
und Sinnvolle.
Die Qualitätsoffensive „Klug
entscheiden“ der DGIM orientiert sich an
der amerikanischen
Choosing-WiselyInitiative, die im Jahr 2012 vom
American Board of Internal Medicine (ABIM
Foundation) gestartet wurde [
5, 6
]. David
Casarett hat vor Kurzem wichtige
Gedanken zur Choosing-Wisely-Initiative
unter dem Titel „The science of choosing
wisely – overcoming the therapeutic
illusion“ publiziert [7]. Casarett ermahnt
uns Ärzte, nicht der Illusion des
Therapieerfolgs zu unterliegen und unsere
Maßnahmen sorgfältig zu überdenken:
„Bevor man zu dem Schluss kommt,
dass eine Behandlung wirksam war,
sollte man nach anderen
Erklärungsmöglichkeiten suchen. Sieht man Belege
des Erfolgs, sollte man nach Belegen des
Versagens suchen“ (übersetzt aus dem
Englischen). Casarett warnt aber auch,
dass eine Desillusionierung der Ärzte
zu Unterversorgung führen könnte. Und
deshalb ist es gut, dass die DGIM im
Gegensatz zur amerikanischen
Initiative sowohl Überversorgung als auch
Unterversorgung adressiert. Schließlich
warnt Casarett vor der Erstellung von
Choosing-Wisely-Empfehlungen allein
durch die Schwerpunktgesellschaften
und plädiert für einen breiteren Ansatz.
Auch da ist die DGIM-Initiative mit
ihrem Konsensusprozess über alle
internistischen Schwerpunkte gut aufgestellt
[
3
].
In der vorliegenden Ausgabe von Der
Internist wird die
Klug-entscheiden-Initiative der DGIM vorgestellt,
Klug-entscheiden-Empfehlungen zu
endokrinologischen und infektiologischen Themen
werden präsentier (...truncated)