Verunsicherte Ärzte durch das neue Gesetz zu Selbsttötung und Suizidhilfe
Schmerzmedizin
Verunsicherte Ärzte durch das neue Gesetz zu Selbsttötung und Suizidhilfe
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keit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ soll
Sterbeund Suizidhilfe neu regeln. Doch dieses Gesetz lässt auch Ärzte zu
Tätern werden.
A destag das „Gesetz zur Stra
arm 6. November 2015 hat der
Bunkeit der geschä smäßigen
Förderung der Selbsttötung“ beschlossen, um
sogenannte Sterbehilfevereinigungen
wie die „Sterbehilfe Deutschland“, aber
auch die Suizidhilfe durch
Einzelpersonen einzuschränken. Das erklärte Ziel
dieser Gesetzesinitiative war es, den
assistierten Suizid als regelha es Angebot
für Schwerstkranke und Sterbende oder
ältere Menschen anzubieten. Allerdings
sollte gleichzeitig eine Geschä stätigkeit
in der Sterbehilfe unterbunden werden.
Der Gesetzestext lautet gemäß §217
des Strafgesetzbuches folgendermaßen:
1.) Wer in der Absicht, die
Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem
hierzu geschä smäßig die Gelegenheit
gewährt, verscha” oder vermittelt, wird
mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren
oder mit Geldstrafe bestra .
2.) Als Teilnehmer bleibt stra—rei, wer
selbst nicht geschä smäßig handelt und
entweder Angehöriger des in Absatz 1
genannten anderen ist oder diesem
nahesteht.
In der Tat muss das Ergebnis der
langjährigen Debatte um dieses Gesetz
ernüchtern, zumal viele Fragen o—en
bleiben, die die Auslegung des Textes in
seiner Anwendung und im Verständnis
erschweren. Au—ällig ist, dass als Täter
nicht mehr nur Ärzte, sondern auch
jeder Angehörige oder Pžegende in
Betracht kommt. Das Delikt wird als ein
Unternehmensdelikt dargestellt, bei
dem es weniger um den erfolgreichen
Suizid, sondern vielmehr um die
Verwirklichung eines objektiven
Tatbestandes geht. Dabei gewährt, verscha” oder
vermittelt ein Täter einem anderen
geschä smäßig die Gelegenheit zur
Selbsttötung.
Wiederholung als Kriterium
Problematisch ist der Begri— der
Geschä smäßigkeit. Dieser beschreibt eine
wiederholte Tätigkeit. Bereits vor dem
Beschluss des Gesetzes war das
Wiederholungsmerkmal der Geschä
smäßigkeit stark umstritten und hat durch
seine Unbestimmtheit dazu geführt, dass
der wissenscha liche Dienst des
Deutschen Bundestages die
Verfassungsmäßigkeit des neuen § 217 des StGB in
Frage stellte. Der Gesetzgeber sprach sich in
der Gesetzesbegründung dafür aus, den
Begri— der Geschä smäßigkeit weit zu
interpretieren: „Geschä smäßig soll
schon derjenige handeln, der eine
Handlung zum ersten Mal ausführt, wenn
dies den Beginn einer auf Fortsetzung
angelegten Tätigkeit darstellt“. Eine
solche Einschätzung ist nach Meinung
vieler Ärzte weit entfernt von der Realität
palliativer Versorgung. Diese £ndet o
in Extremsituationen statt, in denen
Ärzte ähnliche Situationen durchaus
wiederholt erleben und durchleben
müssen. Handeln sie deshalb gewerbsmäßig?
Gesetz fern der Realität
Gemäß des Gesetzes wird eine
Wiederholung der Begleitung von suizidalen
Patienten als gewerbsmäßig ausgelegt,
auch wenn keine
Gewinnerzielungsabsicht besteht. Dass bereits eine
Unterstützungshandlung als geschä smäßig
eingestu wird, wenn sie sich nicht mehr
auf einen Einzelfall beschränkt, hat den
Protest vieler Palliativmediziner und
onkologisch tätiger Ärzte provoziert. Es
herrscht vielfach die Meinung vor, dass
dieses Gesetz die Versorgungsrealität
nicht abbildet. Es entspreche nicht dem
Selbstverständnis der Heilberufe, klagen
viele Mediziner.
Folgende Situation wurde ö—entlich
diskutiert: Ein Palliativmediziner stellt
einem ambulant versorgten Patienten in
weit fortgeschrittener Erkrankung eine
Medikamentendosis zur Verfügung,
absichtlich oder unbeabsichtigt, mit der
ein Suizid möglich ist. Der Patient begibt
sich anschließend in die Obhut einer
Sterbehilfevereinigung, die ihm ein
Zimmer zum Sterben zur Verfügung
stellt. In dieser Konstellation hätten
beide, sowohl der Palliativmediziner als
auch der verantwortliche Vertreter der
Sterbehilfevereinigung, den objektiven
Tatbestand des § 217 StGB erfüllt,
insbesondere wenn der Tatbestand nicht auf
einen Einzelfall beschränkt bliebe.
Handeln folglich nicht alle Ärzte, die
Patienten in Hospizen oder in
ambulanten Netzen betreuen, geschä smäßig?
Deshalb muss man die Frage stellen, ob
der neue § 217 ethisch akzeptierte
Handlungen sanktioniert. Ein Symposium im
Mai in München, an dem
Palliativmediziner, Onkologen verschiedener
Fachrichtungen und Juristen teilnahmen,
machte deutlich, dass dieses Gesetz
durch seine Unbestimmtheit und
Versorgungsferne mehr Verunsicherung als
Sicherheit bei ethischen Fragen ausgelöst
hat. (...truncated)