Grundbildung im Spannungsfeld bildungspolitischer Ein- und Abgrenzungsinteressen
ZfW
Grundbildung im Spannungsfeld bildungspolitischer Ein- und Abgrenzungsinteressen
Caroline Euringer 0
0 C. Euringer ( ) Universität Hamburg , Hamburg , Deutschland
This contribution deals with the definition of adult basic education and its entanglement with interests and power relations in the field of public education administration of the German Laender. As the New Literacy Studies view literacy as a social practice that is related to interests and power relations, guided interviews concerning the definition of adult basic education as well as legitimising rationales
-
Zusavmemröefnfeanrtbliecithtmiint
from the perspective of education administration were illustrated. The interviews
are based on a subject-logical approach and interpretations are linked to
Neo-Institutionalism and Bourdieu’s theory on the state as a field of power. The findings show
that the definition of adult basic education is not only grounded in general objectives
such as participation and learning, but also responsibilities and financial rationales
play a significant role in shaping the concept of adult basic education. Thus,
dominant concepts of adult basic education are – in contrast to broader definitions –
limited to reading, writing and numeracy.
1 Einleitung
Im Zuge der derzeitigen Diskussion zum Grundbildungsbegriff wird vielfach das
Fehlen eines einheitlichen, Akteure und Felder übergreifend anerkannten
Verständnisses von „Grundbildung“ betont. Sichtbar wird ein Interesse der am Diskurs
beteiligten Akteure an einem Austausch darüber, was eine Grundbildung Erwachsener
umfasst und wie sie sich von anderen Begriffen, z. B. „Allgemeinbildung“ oder
„Erwachsenen- und Weiterbildung“, unterschei
det (vgl. Egloff 2014
, S. 104). So finden
sich zunehmend Bestrebungen, über Zusammenschlüsse, Gremien und Strategien
einen gemeinsamen Austausch anzuregen. Auf bildungspolitischer Ebene belegen
die von Bund und Ländern gemeinsam initiierte nationale Strategie für
Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener
(BMBF und KMK 2012)
sowie deren
Überführung in eine nationale Dekade die bildungspolitische Relevanz dieses
Themas. Flankiert wird dies durch eine Reihe von Fachtagungen und Arbeitstreffen zur
begrifflichen Schärfung des Gegenstandes.1
Im Kontext der aktuellen Situation von Migration, Flucht und Asyl wird in der
Diskussion zu der Frage, was denn Grundbildung sei, gefordert, eine begründete
Einund Abgrenzung des Grundbildungsbegriffs vorzunehmen: Lässt sich die kulturelle
und politische Weiterbildung für Zuwanderer und Geflüchtete ebenfalls unter dem
Grundbildungsbegriff subsumieren? Ist die Vermittlung von Sprach- bzw.
Schriftsprachkenntnissen, wie sie in den vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF) geförderten Integrationskursen geschieht, als Grundbildung zu betrachten
und folglich auch als Aufgabe der in einigen Bundesländern gegründeten
Grundbildungszentren? In welchem Verhältnis stehen die Ministerien und Ressorts, die auf
Bund- und Länderebene für die Förderung von Angeboten bezüglich Grundbildung
versus Migration und Flucht, aber auch beispielsweise Arbeit und Beruf zuständig
sind?
1 So beispielsweise die Fachtagung „Grundbildung: Definition – Themenfelder – Zielgruppen? Der
Versuch einer Begriffsbestimmung“, die am 20.04.2016 vom Rat der Weiterbildung-KAW und dem Deutschen
Institut für Erwachsenenbildung (DIE) in Berlin durchgeführt wurde und einen Austausch zwischen Praxis,
Wissenschaft und Politik anstrebte
(vgl. Rat der Weiterbildung-KAW 2016)
.
Zumindest im internationalen Diskurs wird bereits seit Längerem gefordert,
Grundbildung als ein Querschnittsthema über bestehende Zuständigkeitsgrenzen
hinweg zu betrachten
(vgl. Mallows und Carpentieri 2015)
. Gleichzeitig werden
allerdings auch Befürchtungen geäußert, die sich auf die infrastrukturellen und
finanziellen Konsequenzen einer Ausweitung von Grundbildung beziehen
(vgl. Linde
2002, S. 22)
. Zudem zeichnet sich in Diskussionen auf Fachtagungen die Sorge ab,
es könne angesichts knapper öffentlicher Mittel zu einer Ablösung bzw. Begrenzung
der Erwachsenenbildung durch den auf ein Minimum reduzierten Begriff der
Grundbildung kommen. Die hinter der Ein- und Abgrenzung des Grundbildungsbegriffs
liegenden Interessen der beteiligten Akteure, insbesondere der für die Förderung
zuständigen Bildungspolitik und -verwaltung, sind bislang empirisch noch nicht
untersucht worden.
Gegenstand dieses Beitrags ist es, die Verwobenheit des Begriffs Grundbildung
mit Interessen und Machtverhältnissen am Beispiel der öffentlichen
Bildungsverwaltung herauszuarbeiten und in ihren Konsequenzen für die Ein- und Abgrenzung des
Begriffs zu beleuchten. Gerade den in den Landesregierungen angesiedelten
(Weiter-)Bildungsressorts obliegt angesichts der Kulturhoheit der Länder die Umsetzung
der förderpolitischen Rahmenbedingungen für Grundbildung.
Im Folgenden wird dazu zunächst ein Einblick in aktuelle Begriffsdefinitionen
gegeben. Im Anschluss an die New Literacy Studie (...truncated)