Ein Federvieh als polyglotte Abnehmhilfe
MMW Fortschritte der Medizin
Schnitzeljagd nach der verlorenen Patientin
0 Gabriela Piras , Duisburg
-
_ Am Nachmittag atterte mir per Fax
ein Hb-Wert von 6,0 g/dl in mein
Sprechzimmer. Die zugehörige Patientin
hatte ich zuvor wegen Müdigkeit und
Leistungsschwäche untersucht.
Alarmiert versuchte ich, sie telefonisch
zu erreichen – leider vergebens.
Die Patientin muss
ins Krankenhaus –
aber wo steckt sie?
Kurzerhand beschloss ich, sie nach
der Sprechstunde zu Hause zu besuchen,
um sie sofort ins Krankenhaus
einzuweisen. Jedoch traf ich sie auch in ihrer
Wohnung nicht an. Ich hinterließ ihr
also einen Zettel im Brie‘asten, auf dem
ich sie bat, dringend in die Praxis zu
kommen. Ganz wohl war mir bei der
Sache aber immer noch nicht, da die
Patientin Analphabetin war und ich nicht
sicher sein konnte, dass jemand ihr die
Nachricht vorlesen würde.
Da ”el mir ein, dass die Patientinmit
Frau B. befreundet war. Schnurstracks
fuhr ich zu deren Wohnung am anderen
Ende des Viertels. Frau B. kam gerade
vom Einkaufen um die Ecke. Meine
Patientin, so versicherte sie mir, sei
eigentlich nie zu Hause. „Meistens ist die bei
meinem Bruder – da können wir ja eben
hinfahren“, bot sie an.
Gesagt, getan. Doch auch der Bruder
war nicht zu Hause. Jetzt ”el Frau B. ein,
dass die Patientin ja o™ Herrn S. im
Haushalt helfe. Dort fuhren wir als
nächstes hin. Herr S., ebenfalls einer
meiner Patienten, freute sich, mich zu
sehen, hatte die Patientin an diesem Tag
aber noch nicht gesehen. Er versprach
auszurichten, dass sie sich bei mir
melden sollte. So fuhr ich schließlich nach
Hause – unverrichteter Dinge, aber mit
dem Gefühl, alles gegeben zu haben.
Punkt 8 Uhr am nächsten Morgen
stand meine Patientin in der Praxis. Sie
ging noch am selben Tag ins
Krankenhaus.
_ Mit manchen Patienten darf man sich
ja durchaus mal einen Spaß erlauben.
Vor allem, wenn man die Fopperei mit
einer kleinen Gesundheitslektion
verbinden kann – das kommt dem
Patienten ja unterm Strich zugute, und der
Arzt muss kein übermäßig schlechtes
Gewissen haben.
Einen meiner Lieblingsscherze
probierte ich neulich bei einem Studenten
aus Abuja aus, der sich mit seinen 102 kg
zu dick fand und deswegen meinen Rat
suchte. „Dann müssen Sie erst mal ein
Uhu werden“, riet ich ihm. Ich erwartete
natürlich eine Rückfrage. Doch er sagte
nur „Ja“ zur Antwort, was mich
wiederum verblü£e, da er überhaupt nicht
wissen konnte, was ich meinte. „Wissen Sie,
was ein Uhu ist?“, fragte ich zweifelnd.
„Ja, ein Klebsto¥“, sagte der hö iche
Student. „Stimmt“, meinte ich, auch wenn
ich anderes im Sinn hatte.
Der Uhu ist das Wappentier unseres
kleinen Stadtzoos – und mein
Wappentier für alle Patienten, die ihr Gewicht
U(nter) Hu(ndert) bringen möchten. Ich
schickte den Studenten in den Zoo und
forderte ihn auf, den Uhu mit „Uuuhuuu“
anzusprechen.
Zur Antwort bekam ertatsächlich ein
„Uuuuhuuuu“. Nun weiß ich also auch,
dass unser Wappentier die nigerianische
Sprache Yaruba versteht. Uhus sind eben
schlau. Ach ja, der Student kam kurz
darauf mit 99 kg in die Praxis. ■
Dr. Luise Hess, Darmstadt (...truncated)