Neuromelanin als Auslöser von Autoimmunität
DNP - Der Neurologe & Psychiater
Mehr als nur ein Abfallprodukt
Die selektive Anfälligkeit dopaminerger Neuronen der Substantia nigra bei der Parkinson-Erkrankung
gibt noch Rätsel auf. Ein Schlüssel dazu könnte Neuromelanin sein.
N Tiere haben es nicht. Neugeborene euromelanin ist etwas Besonderes. auch noch nicht. Erwachsene haben es und mit zunehmendem Alter immer mehr. Neben dopaminergen Neuronen der Substantia nigra (SN) weisen auch Neurone des pontinen Nuceleus coerruleus (NC) Neuromelanin auf. In beiden Fällen gehen gerade die pigmenttragenden Neurone unter, die benachbarten Zellen nicht. Deshalb glaubt Professor Manfred Gerlach, Würzburg, auch nicht, dass Neuromelanin ein bloßes Abfallprodukt des katecholaminen Sto wechsels ist, wie lange angenommen wurde.
Neuromelanin
-
Ein ganz besonderer Sto
Auch Professor Kay Double, Sydney, ist
davon überzeugt, dass Neuromelanin
eine physiologische Rolle spielt und mit
der Vulnerabilität der dopaminergen
Neurone in SN und NC
zusammenhängt. Das Pigment kann bis zu 50 % des
Zytoplasmas ausmachen, liegt dabei aber
anders als beispielsweise in den
Melaningranula der Augen vor: Die Vesikel
scheinen nicht von einer Membran
umhüllt zu sein und enthalten Dopamin
und Dopaminmetaboliten sowie Lipide
und Proteine.
Die Besonderheit des Neuromelanins
– sein Vorkommen nur beim Menschen
Neuromelanin als Auslöser von Autoimmunität
Neuromelanin könnte nicht nur im Zusammenhang mit oxidativem Stress für die
Entwicklung einer PD eine Rolle spielen. Indizien sprechen auch für eine durch
Neuromelanin beein usste Autoimmunität gegen Substantia-nigra-Strukturen bei der PD.
Wie Professor Karsten Scheller, Würzburg, berichtete, weisen zwei Befunde darauf hin,
dass es autoimmune Vorgänge im Zusammenhang mit der PD gibt:
— Es existieren im Körper zirkulierende Antikörper, die an dopaminerge Neuronen der
Substantia nigra (SN) binden.
— Aktivierte Lymphozyten – sowohl T-Helferzellen als auch zytotoxische
T-Lymphozyten – wandern in das SN-Gewebe von Parkinson-Patienten wesentlich stärker ein als
in SN-Gewebe von Kontrollen.
Neuromelanin könnte ein wichtiger Faktor in der Umstimmung von Toleranz auf
Autoimmunität sein, meint Scheller. Dendritische Zellen ignorieren Neuromelanin nicht
einfach, sondern phagozytieren die Granula und werden dadurch zur Reifung
stimuliert mit der Folge einer entsprechenden Zytokinausschüttung, zum Beispiel von TNF-α
und Interleukin-6, und einer T-Zell-Proliferation [Oberländer U et al. BMC Neurosci 2011;
12: 116]. Diese Autoimmunität wird dann im Gehirn noch einmal von Mikroglia verstärkt
[Koutsilieri E et al. J Neural Transm 2013; 120: 75 –81]. Unklar ist noch, was die
Neuromelaninfreisetzung initial auslöst und die Voraussetzung dafür ist, dass dendritische Zellen
Neuromelanin phagozytieren.
– hat auch einen Nachteil: Es gibt keine
Tiermodelle. In vitro ist die Bedeutung
von Neuromelanin daher nicht so
einfach nachzuvollziehen. Dopaminerge
Rattenneurone ließen sich im Labor aber
mit humanem Neuromelanin teilweise
vor der sehr toxischen Fenton-Reaktion
schützen, so Double. Diese mögliche
Schutzfunktion könnte das
Neuromelanin aber verlieren, wenn es sich
verändert. Tatsächlich wird das
Neuromelanin in den dopaminergen Zellen des SN
mit der Entwicklung einer PD um 50 %
dunkler.
Zusammenhang mit Synuclein
Möglicherweise hängt das mit einer
zunehmenden Aggregation des
Neuromelanins mit α-Synuclein zusammen.
Professor Katrin Marcus aus Bochum
stellte α-Synuclein-Monomere in
Neuromelaninproben des SN von verstorbenen
Parkinson-Patienten fest, aber nicht bei
Kontrollen ohne PD. Insbesondere die
A9-Neurone des SN von
Parkinson-Patienten zeigten eine erhöhte Dichte von
Neuromelanin mit veränderter
Lipidzusammensetzung, wobei α-Synuclein
rund um die Neuromelanin-Granula
akkumuliert war. In späteren Stadien
der Erkrankung mit vermehrten
LewyKörperchen scheint der intrazelluläre
Pigmentanteil dagegen abzunehmen.
Zeichen für eine
α-SynucleinDeposition am Neuromelanin nden
sich schon in der frühen PD, berichtete
Double. Beide Forscherinnen vermuten,
dass oxidativer Stress ein initialer
Faktor für die α-Synuclein-Deposition an
Neuromelanin ist. Ein weiteres
Bindeglied könnte die Superoxiddismutase-1
(SOD1) sein, ein kupferabhängig aktives
Protein mit antioxidativen E ekten, das
in gesunden Gehirnen unter anderem
im SN besonders aktiv ist, nicht aber bei
PD. „O ensichtlich kann das Enzym
nicht hochreguliert werden“, vermutet (...truncated)