Germany: still sleeping with the enemy?
Germany: still sleeping with the enemy?
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ir sind stolz darauf,
den einst von Willy
Brandt
beschworenen „blauen Himmel über der
Ruhr“ erreicht zu haben mit
einem Rückgang des nationalen
Staubausstoßes von 1.883.000
Tonnen 1990 auf 209.000
Tonnen 2002. Der Grobstaub ist
Historie, ein neues Staubproblem
bestimmt die aktuelle Debatte
– der Feinstaub. Gestützt auf
fachlichen Rat, teilte der Bundes- Prof. Dr. Gerhard
Schultzeminister für Umwelt, Natur- Werninghaus, Abteilung für
schutz und Reaktorsicherheit im Pneumologie, Allergologie
November 2004 mit, dass „die uBnGd-KSlcinhilkaefmnBedeirzgimn,annsheil
Lebenserwartung aller Deutschen – Universitätsklinik, Bochum
nach neuesten Schätzungen
wegen der Feinstaubbelastung um
9 Monate“ sinke, „1–3 Monate“ gingen
„auf das Konto des Diesel-Smogs.“
Das „Feinstaubgespenst“ geht um, es
bestimmt die Schlagzeilen, seit die neuen
Grenzwerte für Feinstaub (PM10) gelten:
50 μg/m3 dürfen seit 1. Januar 2005 nur
an 35 Tagen pro Jahr überschritten
werden. Grundlage für diese Überlegungen
waren Studien, die zeigten,
dass vor allem auch
kardiovaskuläre Risiken mit der
Feinstaubbelastung
zunehmen. Aus der Debatte wurde
deutlich, dass die bereits am
27. September 1996 vom
Europäischen Rat
verabschiedete
„Luftqualitätsrahmenrichtlinie“ von den
politischen Instanzen, aber
auch von den betroffenen
Industriezweigen nicht rechtzeitig ernst genommen
worden ist. Ob die EU-Richtlinie zu
ehrgeizig oder wissenschaftlich einwandfrei
begründet ist, mögen andere beurteilen.
So ist eines der Probleme, dass an den
bundesweiten Messstellen mit PM10 eine
Partikelmasse erfasst wird, die keine
Rückschlüsse auf die möglicherweise
gesundheitsrelevanten PM2.5 erlaubt. Ein
anderes Problem ist, dass aus
epidemiologischen Daten zwar Korrelation, aber keine
Kausalität abgeleitet werden kann. Sicher
erscheint aber, dass – anders als im
benachbarten Ausland – nicht alle
Möglichkeiten zur Verringerung des
Feinstaubausstoßes genutzt worden sind, wie der
Einsatz geeigneter Filter für
Dieselkraftfahrzeuge. „Politik und Autoindustrie haben
verschlafen“, heißt es – oder hat die
Politik Rücksicht auf die nationale
Autoindustrie genommen?
Der Umgang der
nati„Der Umgang der onalen Politik mit der
FeinPolitik mit der Fein- staubproblematik erinnert
staubproblematik an den Umgang mit der
Zierinnert an den Um- garette, an der der Staat seit
gang mit der Zigarette, langem aus wirtschaftlichen
an der der Staat aus Gründen ein hohes Interesse
wirtschaftlichen hat. Mehr als 40 Länder
haGründen ein hohes ben das internationale
TaInteresse hat.“ bakkontrollabkommen der
WHO seit Inkrafttreten am
27. Februar 2005 unterzeichnet. Dieses
sieht z. B.Werbeverbote, Vermeidung
irreführender Bezeichnungen, wie „mild“
oder „leicht“, Maßnahmen zum Schutz
vor Passivrauch und wirksame Preis- und
Steuererhöhungen vor. Die
Bundesregierung hat laut BÄK intern (April 2005),
gemeinsam mit der US-Regierung, in
ei
Prof. Dr. Bernhard Przybilla,
Klinik und Poliklinik
für Dermatologie und
Allergologie, Klinikum
der
Ludwig-MaximiliansUniversität, München
nem mehrjährigen
Verhandlungsmarathon versucht, die
Regelungen des Abkommens zu
entkräften, musste schließlich
aber doch dem öffentlichen
Druck nachgeben. Dass das
Zigarettenrauchen im Vergleich
zum Feinstaubproblem einen
ungleich größeren Einfluss auf
die Gesundheit besitzt, muss
nicht umfassend begründet
werden. „Der Rauch einer einzigen
Zigarette produziert laut einer
italienischen Studie etwa soviel
Feinstaub wie ein 100 Minuten
laufender Dieselmotor“,
meldete der Spiegel (4. April 2005).
Aufgrund rein fiskalischer
Überlegungen ist die Bundesregierung
noch nicht sicher, ob die für den 1.
September 2005 geplante dritte
Steuererhöhung tatsächlich umgesetzt wird – obwohl
8% der Raucher bereits nach der ersten
Steuererhöhung berichtet hatten, dass sie
aus diesem Grund mit dem Rauchen
aufgehört hätten (BÄK intern, April 2005).
„Germany: still sleeping with the
enemy?“ (Simpson D. Tob Control 2003;12:
343–4) – stimmt diese Formel? Die
Feinstaubdebatte wie die Behandlung des
Zigarettenrauchens belegen, dass die
politische Führung bei gesundheitlichen Risiken
nicht immer entschlossen die notwendigen
Maßnahmen ergreift. Und dies, obwohl
geklärt scheint, dass „as with tobacco
smoke and lung cancer, policymakers can’t
wait for all the scientific answers before
taking action to prevent deaths from dirty
air“ (Kaiser J. Science 2005; 307: 1858–
61). Fazit: „Der Staat schützt auch in
Verantwortung für die künftigen
Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen …“
(Grundgesetz, Artikel 20 A). Man kann
nur hoffen, dass er diese Aufgabe in
wissenschaftlich abgesicherter und
konsequenter Weise beachten möge. (...truncated)