An einem einzelnen Salatblatt verhoben
MMW Fortschritte der Medizin
Das Wundermittel gegen Diabetes
_ „Wenn ich Ihnen jetzt erzähle 0
woran ich mich verhoben habe 0
Frau Doktor 0
dann lachen Sie mich aus“ 0
erklärte mir ein schmerzgeplagter Patient. „Das wer- de ich gewiss nicht!“ 0
antwortete ich 0
wo- rau in ich mich auordernd in meinem Stuhl zurücklehnte 0
in Erwartung einer unerhörten 0
aber hei- teren Geschichte 0
die er noch sei- 0
0 Andreas M. Ploch , Feldkirchen
-
_ Einen Typ-2-Diabetiker, dessen
HbA1c-Wert trotz Ausschöpfung der
oralen Möglichkeiten kontinuierlich
anstieg und sich auch durch diätische
Maßnahmen nicht bremsen ließ, stellte ich
auf eine basal mit einem
LangzeitInsulinanalogon unterstützte orale
§erapie ein. Der Patient wurde ausführlich
in die Anwendung des Injektors
eingewiesen, und ich hatte den Eindruck, er
habe alles verstanden.
Nach etwa neun Wochen kam der
Patient verabredungsgemäß zur
Laborkontrolle, wobei sich erstaunlicherweise
nicht nur ein gravierender Anstieg der
Nüchternglukose, sondern auch des
HbA1c-Werts zeigte. Der Patient
beteuerte, das „neue Medikament“ getreu
meinen Anweisungen gespritzt zu haben.
Zudem betonte er, er habe sich ohne die
vielen anderen Tabletten
außerordentlich wohl gefühlt.
Mir ‘el es bei seinen Worten wie
Schuppen von den Augen: Der Gute hat
leider geglaubt, das „neue Medikament“,
welches er für eine Art Wundermittel
hielt, könne seine gesamte bisherige
Medikation komplett ersetzen, weshalb er
auf diese seit Wochen verzichtete.
Ich habe mir seinen entgleisten
Diabetes selbst zuschreiben müssen. Zwar
hatte ich ihn ausführlich in der
Anwendung des Pens geschult hatte, doch hatte
ich im routinierten Gespräch oenbar
versäumt, ihn explizit darauf
hinzuweisen, dass er seine bisherige Medikation
natürlich auch weiterhin einnehmen
muss.
nen Kindern und Kindeskindern
erzählen könnte.
Doch hatte der Mann nicht etwa eine
Braut über eine Schwelle getragen, was
bei ihm das Naheliegendste gewesen
wäre. Auch auf der Arbeit kam er nicht
in die Verlegenheit, schwer heben zu
müssen. Es war noch nicht einmal ein
Kasten Bier gewesen, der für seinen
Rücken zu viel gewesen war. Nein,
verhoben hatte er sich – an einem Salatblatt!
Er schilderte mir nun theatralisch,
wie er sich über die Salatbar gebeugt
hatte, um sich dieses ‘ese Blatt
Grünzeug zu angeln. Dabei sei es eben
passiert: Er sei einfach nicht mehr
hochgekommen. Peinlich, peinlich! Die
Kollegen waren dann so freundlich gewesen,
ihn zu mir zu schleppen. Wer den
Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen.
Nachdem ich den Patienten
medizinisch versorgt hatte, ging es für mich
noch an die Bürokratie. Bei der Suche
nach dem ICD-Code unterstützte mich
das Computerprogramm tatkrä”ig.
Schon nach Eingabe der ersten vier
Buchstaben bekam ich einen Vorschlag
gemacht – allerdings schien dem
Programm das „Verheben“ weniger
wahrscheinlich als die „Verheimlichte
Schwangerscha”“ (Z35.3).
Ich seufzte. Man ist es ja gewohnt.
Wenn ich einen „Sturz“ codieren will,
wird mir auch immer als erstes eine
„Sturzgeburt“ (O62.3) vorgeschlagen,
was in unserer Praxis eher seltener
vorkommt. (...truncated)