Das Märchen von Dr. Holle
MMW Fortschritte der Medizin
Spirituelle Erneuerung mit Emojis
0 Dr. Herbert Zimmer , Freiburg
1 Dr. Luise Hess , Darmstadt
_ Auf meinem Schreibtisch steht eine Taschentücherbox. Sie ist allerdings weniger für die Schnupfnasen gedacht. Sie dient eher den Verzweifelten und Unglücklichen, wenn sie von ihrem Tränenšuss übermannt werden. Deshalb bemühe ich mich immer, ein nettes, vielleicht sogar Trost spendendes Motiv auf der Box zu präsentieren. Neulich stieß ich im Supermarkt auf einen Karton, der mit Emojis bedruckt war, diesen kleinen Smiley-Piktogrammen, die bekanntermaßen alle Gefühle ausdrücken können. Der musste mit. Schon am nächsten Tag fand sich die erste Benutzerin ein: Die Tränen šossen
-
unau›örlich, und die Taschentücher
wurden bis zum Boden aufgebraucht. Es
war nun bereits das dritte Gespräch, das
wir über ihr Problem führten: Sie, eine
junge, schöne, hochrangige
Wissenscha•lerin, fand einfach keinen neuen
Arbeitsplatz in der Schweiz, dem Land
der schneebedeckten Berge. Dortselbst
allerdings hockte ihr Freund, ebenfalls
berušich hochquali¡ziert und ebenfalls
unfähig sich aus seiner Lebenssituation
zu lösen.
Wir hatten das ¢ema schon
mehrfach durch.
Ich ließ mich nun von den Emojis
inspirieren, die ihre Botscha•en so kurz
_ Mein Patient aus Persien wollte eine
Überweisung für Dr. Holle. „Für wen?“,
fragte ich einigermaßen ungläubig „Dr.
Hooolle“, belehrte er mich, und zückte
sodann einen Facharztbericht mit
Adresse. Tatsächlich: Dr. Holle.
„ Kennen Sie denn auch das Märchen
der Gebrüder Grimm von Frau Holle?“,
fragte ich mein Gegenüber, begierig auf
interkulturellen Austausch und
Bereicherung. Er kannte es nicht . Dem
Manne wollte geholfen werden, und so
berichtete ich ihm so gut es ging den Inhalt
der alten Geschichte.
Als ich mit dem Erzählen fertig war,
strahlte mich mein Patient an. „Das
muss ich Dr. Holle erzählen“, rief er aus.
„Müssen Sie nicht, das Märchen kennt er
schon“, meinte ich – davon ging ich
jedenfalls aus.
Zum Dank bekam ich dann von
Scheherezade berichtet, der Tochter des
persischen Königs Schahrayar, die mit ihren
Geschichten, den „Märchen aus 1001
Nacht“, den blutrünstigen Sultan
Scheherban besän•igte. So märchenha•
kann Sprechstunde sein. ■
Dr. Luise Hess, Darmstadt
und bündig vermitteln. Ich zückte ein
Privatrezept, zeichnete zwei Ringe
darauf und schrieb die Vornamen der
unglücklich Getrennten darunter. Liebe ist
die beste Medizin, dachte ich mir.
Ich weiß nicht, ob es meine
VoodooKritzelei war, aber keine vier Wochen
später bekam ich einen neuen Patienten
aus der Schweiz. Er hatte eine Stelle in
Darmstadt bekommen! Das macht in
meinen Augen drei Smileys: einen
lachenden mit Herzchenaugen, einen
lachenden und zwinkernden – und für
mich den fröhlichen mit der
herausgestreckten Zunge.
Enthusiastische Aufforderung
zur digitalen Untersuchung
Selbst nach Jahrzehnten als Hausarzt gibt
es immer noch verrückte Momente, die das
alberne Schulkind in einem hervorbringen.
So wie bei dem 86-jährigen Patienten mit
schwachem Urinstrahl, der selbst auf die
Idee kam, woran es liegen könnte: „Es ist
wohl die Protasta!“, exklamierte er. War das
nur ein Versprecher, oder sah ich dort ein
Glitzern in seinen Augen? Jedenfalls kam
ich dieser indirekten Aufforderung sogleich
und mit einem nur schwer
unterdrückbarem Lachanfall nach. (...truncated)