Retard-Eisensulfat kompensiert den Blutverlust
MMW Fortschritte der Medizin
Retard-Eisensulfat kompensiert den Blutverlust
0 Koautoren: Rosemarie Kongi, Dr. rer. nat. Roland Fischer Eisenstoffwechselambulanz Zentrum für Experimentelle Medizin Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
1 täglich 1 Tablette Tardyferon® 80 mg; Pierre Fabre Pharma GmbH , Freiburg
Die Bioverfügbarkeit ist für die Wirksamkeit von oralen Eisenpräparaten entscheidend. In einer Studie wurde dies für ein Eisen(II)-sulfat-Retardpräparat untersucht. ¬ Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Peter Nielsen Eisenstoffwechselambulanz Zentrum für Experimentelle Medizin Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf E-Mail:
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_ Untersuchungen zur
Bioverfügbarkeit von Eisen aus oralen Präparaten
leiden u.a. unter Einschränkungen und der
mangelnden Vergleichbarkeit der
verschiedenen experimentellen Verfahren
sowie der sehr komplexen Chemie von
Eisen bei neutralem pH-Wert im
Intestinaltrakt. An der
Eisensto€wechselambulanz des Universitätsklinikums
Hamburg-Eppendorf wurde die
Bioverfügbarkeit eines Eisen-Retardpräparats mit
einer besonderen Messtechnik
untersucht.
Die Teilnehmer der Studie, Patienten
mit Eisenmangelanämie infolge
gastrointestinaler Blutungen oder
Hypermenorrhoe, erhielten ein
Eisen(II)-sulfat-Retardpräparat*. Über 6–10 Wochen
wurden die Hämoglobinkonzentration
und der tägliche Eisenverlust
dokumentiert. Aus dem Anstieg des
Hämoglobinwertes unter der ”erapie und dem
gemessenen Eisen(=Blut)-verlust wurde
die Bioverfügbarkeit des Medikaments
ermittelt.
59Fe-Ganzkörperretention
Zur Quanti˜zierung des individuellen
Blutverlusts wurde eine
59Fe-Markierungsmethode verwendet und die
59FeGanzkörperretention gemessen. Ein
Problem bei Patienten mit
Eisenmangelanämie besteht nämlich darin, dass der
einfach zu messende Hämoglobin- oder
Ferritinanstieg unter der betre€enden
Eisensupplementierung die tatsächliche
Bioverfügbarkeit eines Eisenpräparats
■ Die Langfassung des Beitrags nden Sie im
MMW-Originalien-Ergänzungsband Nr. III-IV/2016 (S6), 17–23 sowie unter
www.springermedizin.de/mmw
unterschätzt, denn bei den
meisten Patienten ist ein
andauernder, ausgeprägter
Verlust von Blut (und damit
von Eisen) für die Anämie
verantwortlich. In der
Hamburger Studie wurde dieses
Problem dadurch gelöst, dass
dem anämischen Patienten
zwei Wochen vor Beginn der
Eisentherapie 10 μmol
59FeAscorbat oral verabreicht
wurden, was im Regelfall
komplett ins Hämoglobin
neu gebildeter Erythrozyten
eingebaut wird. Der Verlust
von 59Fe-markierten
Erythrozyten ließ sich dann mit
dem Ganzkörperzähler
genau verfolgen.
Diese Methode liefert
zuverlässige Daten zur
Eisenhomöostase unter einer
pharmakologischen ”erapie, d. h. sie
gibt an, wie viel Eisen aus einer
Eisenmedikation bei den anämischen
Patienten für die individuelle
Hämoglobinbildung genutzt wird. Die Messtechnik ist
sehr aufwändig und wird heute nur
noch selten eingesetzt.
Ergebnisse
Die Studienergebnisse zeigen, dass das
eingesetzte Präparat eine hohe
Bioverfügbarkeit für Eisen besitzt. Der erhöhte
Eisenverlust (im Mittel 6,6 ± 5,9 mg/d)
wurde durch die mit täglicher Gabe von
80 mg Eisen verwertete Eisenmenge (im
Mittel 11,7 ± 6,6 mg/d) kompensiert
(Tab. 1). Hämoglobin- und Ferritinwert
stiegen während der 6- bis 10-wöchigen
Beobachtungsdauer signi˜kant an (Hb:
von 10,2 ± 1,6 auf 12,5 ± 1,5 g/dl,
59Fe-Absorption (%)*
59Fe-Erythrozyteninkorporation (%)**
Hb1 | Hb2 (g/dl)
Patienten mit
Eisenmangelanämie (n = 28)
10,2 ± 1,6 | 12,5 ± 1,5 (p < 0,001)
Fe-Utilisation (mg/d)
*Ganzkörperretention von 59Fe, gemessen im Zeitraum von
7–14 Tagen nach oraler Verabreichung von 10 μmol 59Fe-Ascorbat
**Inkorporation von 59Fe in das Hämoglobin zirkulierender
Erythrozyten nach >10 Tagen (% der 59Fe-Ganzkörperretention)
Hb1 = Hämoglobinwert vor der Behandlung
Hb2 = Hämoglobinwert nach 6- bis 10-wöchiger Behandlung
Tab. 1 Eisenutilisation und
Hämoglobinanstieg unter der Behandlung mit 80 mg/d
retardiertem Eisen(II)-sulfat
p < 0,001; Ferritin: von 9 ± 11 auf 31 ±
23 μg/l).
Die Befunde scheinen darauf
hinzudeuten, dass Patienten mit
chronischer Eisenmangelanämie
therapeutisch verabreichtes Eisen auch aus den
distaleren Darmabschnitten
absorbieren können. (...truncated)