Wie wird man ein Könner?

Zeitschrift für Bildungsforschung, Jul 2017

Ein Blick auf für Fort- und Weiterbildungsprozesse von Lehrpersonen vorliegende Strukturkonzepte zeigt, dass aktuell zumindest zwei Paradigmen voneinander abgegrenzt werden können: Fort- und Weiterbildungsprozesse können im Sinne einer Meisterlehre bzw. im Sinne des selbstgesteuerten professionellen Lernens in einem forscherischen Habitus konzipiert werden. In den Schriften zu beiden Paradigmen wird betont, dass der Frage nach Prozessmerkmalen des Wegs vom akademischen Wissen zum qualitätsvollen professionellen, kontextsensiblen Können dringend verstärkt Aufmerksamkeit zu schenken ist. Bei diesem Desiderat soll im vorliegenden Beitrag zunächst auf der Basis der Überlegungen von Neuweg, der zum Konstrukt der Könnerschaft wichtige Hinweise gegeben hat, angeknüpft werden. Die Hinweise Neuwegs zur Entwicklung von Könnerschaft – er verweist vorwiegend auf die Bedeutung von Reflexionsprozessen – erscheinen PSI-theoretisch betrachtet differenzierungsbedürftig: Neben den kognitiven Makrosystemen des Intentionsgedächtnisses als Speicher für akademisches Wissen, der intuitiven Verhaltenssteuerung sowie dem Erfahrungsgedächtnis, auf die Neuweg allerdings mit Bezug auf Polanyi anspielt, bedarf es mit dem diskrepanzsensitiven Objekterkennungssystem eines weiteren kognitiven Makrosystems, damit die Entwicklung von Könnerschaft möglich ist. Freilich ergibt sich ein solcher Entwicklungsprozess nicht automatisch, sondern ist – je nach individuellen Dispositionen – an bestimmte Selbststeuerungsfähigkeiten gebunden. Analysiert man die Vorstellungen beider eingangs erwähnter Paradigmen unter der Perspektive der Entwicklung von Könnerschaft, zeigt sich, dass beide Paradigmen nicht in einer „Entweder-oder“-Relation zu betrachten sind, sondern in einem wechselseitigen Bedingungsverhältnis: Im Falle eines noch niedrigen Elaborationsgrads der Selbststeuerungsfähigkeiten der an Fort- und Weiterbildungsprozessen teilnehmenden Lehrpersonen erscheint es angemessen, beide Paradigmen sequenziell zu kombinieren, um das Ziel der professionellen Selbstentwicklung bei Lehrpersonen zu unterstützen.

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Wie wird man ein Könner?

Z f Bildungsforsch Wie wird man ein Könner? 0 Ao. Univ. Prof. Dr. F. Hofmann ( ) School of Education , Erzabt-Klotz Straße 1, 5020 Salzburg, Österreich - sen, beide Paradigmen sequenziell zu kombinieren, um das Ziel der professionellen Selbstentwicklung bei Lehrpersonen zu unterstützen. Schlüsselwörter Didaktik der Lehrerfortbildung · Könnerschaft · Theorie der Persönlichkeits-System-Interaktionen · Professionelles Lernen · Lehrerbildung · Ganzheitliches Lernen How to become a ‘Könner’/an expert? Thoughts on the structure of further and continuing professional training for the development of ‘Könnerschaft’/expertise Abstract The evaluation of the structure of didactic concepts in further and continuing teacher training shows that currently two paradigms can be distinguished: The training can be designed similar to master-training or in a self-regulated professional learning-style with a researching habit. Literature on both paradigms emphasizes that the focus should especially be laid upon the question of the characteristic features during the development from academic knowledge to a highly qualitative professional, context-sensitive expertise. The aim of this article is therefore to enter into this dialogue, first on the basis of Neuweg’s thoughts and his important considerations of ‘Könnerschaft’/expertise. From a PSI-point of view those considerations on the development of ‘Könnerschaft’/expertise – which mainly focus on the importance of reflection – need a deeper differentiation: Referring to Polanyi, Neuweg mentions the Intention Memory, containing the academic knowledge, the Intuitive Behavior System and the Extension Memory. However for the development of ‘Könnerschaft’/expertise a fourth cognitive system, the Object Recognition with its sensitivity to discrepancies, is needed. Obviously such a development doesn’t evolve on its own but is linked to certain, individual self-management competencies. Analyzing both paradigms mentioned above focusing on the development of ‘Könnerschaft’/expertise, it is noticeable that they are not mutually exclusive but reciprocally dependent to each other: If the level of teacher’s self-management competencies participating in teacher training is not adequately elaborated yet, it seems important to combine both paradigms sequentially in order to foster teacher’s professional self-development. Es gibt neuerdings verstärkt Bemühungen, über Tagungen und Publikationen das Berufsbild von Personen, die in der Lehrer/innen-Bildung tätig sind, zu akzentuieren (vgl. Swennen und Snoek 2012; Murray und Kosnik 2011; Schratz 2015; Murray 2015) ; trotz der weitgehend unbestrittenen Sichtweise, dass der Prozess der Professionalisierung im Lehrberuf weder durch die Erstausbildung noch durch die Phase der beruflichen Sozialisation im Rahmen einer Induktionsphase abgeschlossen ist, sondern über eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildung am Laufen gehalten werden muss (vgl. Messner und Reusser 2000), bleibt der wichtige Tätigkeitsbereich in der Fort- und Weiterbildung aber in den Aufgabenkatalogen zum Berufsbild des „Lehrerbildners“ bzw. der „Lehrerbildnerin“ inkonsequenter Weise unerwähnt (vgl. etwa Schratz 2015, S. 41 oder Swennen und Snoek 2012) . Diese (unbewusste?) Ausblendung im Berufsprofil hat auch eine gewisse Entsprechung, wenn man nach systematisch begründeten und elaborierten didaktischen Modellen oder Konzepten sucht, auf die bei der Planung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen zu pädagogischen und didaktischen Themen (die weiteren Ausführungen dieses Beitrags stehen unter dieser eingeschränkten Perspektive) zurückgegriffen werden kann, um die Entwicklung von Könnerschaft zu fördern; die Diskussion darüber ist – verglichen mit der Vielzahl unterrichtsdidaktischer Modelle in einer zeitlich langen Tradition (vgl. im Überblick Peterssen 2000) – (noch) deutlich verhaltener und publikationsmäßig „verstreuter“. Gut identifizierbar sind unterschiedliche Grundstrukturen im Sinne von Paradigmen, auf deren Basis Fort- und Weiterbildungsprozesse konzipiert werden können; zwei solche Paradigmen werden nachfolgend dargestellt. 1 Zwei paradigmatische Grundstrukturen für die Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen Analysiert man einschlägige aktuelle Publikationen zur Thematik der Fort- und Weiterbildung unter der Perspektive, was sie zur Frage nach diesbezüglichen didaktischen Konzepten oder Konzeptelementen zur Entwicklung von Könnerschaft anbieten, kann man zumindest zwei Grundstrukturen prototypisch voneinander abgrenzen: Es lässt sich ein Ansatz beschreiben, der darauf beruht, dass der Person des Lehrerbildners bzw. der Lehrerbildnerin in Fortbildungssituationen eine Art Modellcharakter im Sinne des Paradigmas der Meisterlehre zugeschrieben wird (vgl. Abschn. 1.1); in einem zweiten Ansatz wird darauf Wert gelegt, dass die Lehrpersonen als Subjekte ihrer Entwicklung betrachtet werden und durch (aktions-)forscherische Tätigkeiten an Professionalität gewinnen sollen (v (...truncated)


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Ao. Univ. Prof. Dr. Franz Hofmann. Wie wird man ein Könner?, Zeitschrift für Bildungsforschung, 2017, pp. 147-164, Volume 7, Issue 2, DOI: 10.1007/s35834-017-0184-5