HbA1c-Sturz mit GLP-1-Analogon als Ursache für Retinopathieprogress
HbA -Sturz mit GLP-1-Analogon als Ursache 1c für Retinopathieprogress
1. Marso SP, Bain SC, Consoli A et al. For the Sustain-6 Investigators. N Engl J Med. 2016 Nov 10;375(19):1834-44. Quellen: American Diabetes Association's (ADA) 77th Scientific Sessions, San Diego/ USA; Symposium „Update on Cardiovascular outcome trials (CVOTs)” am 9.6.2017 und Pressekonferenz Novo Nordisk am 12.6.2017 44 In|Fo|Diabetologie 2017; 11 (4)
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„Immer wieder mal höre ich: Das ist ja schön mit den e ektiven
GLP-1-Rezeptoragonisten, die Patienten leben länger, aber eben
blind“, zitierte Prof. Stephan Jacob, niedergelassener
Diabetologe aus Villingen-Schwennigen, beim amerikanischen
Diabeteskongress in San Diego besorgte Kollegen.
Diese Verknüpfung ist entstanden, weil das einmal
wöchentlich zu injizierende Semaglutid zwar den Blutzucker und
kardiovaskuläre Ereignisse e ektiv senkt: In SUSTAIN mit 3.297
langjährigen Typ-2-Diabetikern mit hohem kardiovaskulärem
Risiko war der kombinierte primäre Endpunkt aus
kardiovaskulärem Tod, nicht tödlichem Herzinfarkt und nicht tödlichem
Schlaganfall nach 2 Jahren Beobachtung um 26 % signi˜kant
reduziert (p < 0,001 für Nichtunterlegenheit verglichen mit
Placebo, number needed to treat 45). Aber in der Verumgruppe
traten bei 50 versus 29 Patienten mit Placebo Komplikationen ei
ner diabetischen Retinopathie auf (sekundärer Endpunkt). Das
ist numerisch nicht viel, aber bei 3 % vs. 1,8 % fast doppelt so
häu˜g. Die Komplikationen betrafen die
¢erapienotwendigkeit am Auge, in Form von intravitrealen Injektionen oder
Photokoagulation der Retina, sowie Glaskörpereinblutung oder
Eintritt einer diabetesassoziierten Erblindung.
Keine neu entstandene Retinopathie
Diese Ereignisse seien aber de˜nitiv kein Ausdruck einer neu
entstandenen Retinopathie, die durch die Substanz ausgelöst
wird, so Jacob. Es handele sich vielmehr um ein Phänomen, das
in den ersten Wochen nach ¢erapieumstellung bei Diabetikern
wahrscheinlich durch eine schnelle und starke HbA1c-Senkung
verursacht ist.
Zu demselben Schluss war zuvor auch Prof. Tina Vilsbøll,
Direktorin des Steno Diabeteszentrums am Gento§e Hospital in
Manchmal braucht auch der HbA1c-Wert
einen Fallschirm, damit er nicht abstürzt.
Kopenhagen (Dänemark) gekommen. Die
Diabeteswissenscha§lerin war an der SUSTAIN-Studie beteiligt und präsentierte in
San Diego die neuen Ergebnisse in einem Symposium. Und sie
ging dabei ins Detail, um, wie sie sagte, „mehr über die 79
Patienten mit den Retinopathie-Komplikationen zu erfahren“.
Im Vergleich zur gesamten Studienpopulation war der
HbA1cWert dieser Patienten höher (9,4 vs. 8,7 %), die Diabetesdauer
länger (17,5 vs. 13,9 Jahre), und 76 % wurden bereits zu Beginn
der Studie mit Insulin behandelt (vs. 58 % im gesamten
Kollektiv). Hinzu kam: In der Gruppe mit den Komplikationen waren
83,5 % bereits mit einer bekannten Retinopathie in die Studie
gestartet, 29 % hatten eine proliferative Erkrankung und fast 18
% auch schon eine Laser- oder Injektionstherapie hinter sich,
deutlich mehr als im Durchschnitt aller Teilnehmer.
„Bei Patienten ohne Retinopathie zu Beginn der Studie gab es
dagegen keine Signale für eine erhöhte Komplikationsrate mit
Semaglutid versus Placebo, es war exakt dieselbe“, so Vilsbøll.
Bis zu 2,5%-Punkte HbA1c-Abfall
In den ersten vier Monaten der Studie wurde die ¢erapie nicht
adjustiert. Betrachtet man die HbA1c-Verläufe in diesem
Zeitraum wird klar: Die Patienten mit den
Retinopathie-Komplikationen hatten im Vergleich zum Gesamtkollektiv starke
HbA1cAbfälle, bis zu 2,5 % mit Semaglutid in der höheren Dosierung
(1 mg/Woche), mit halber Dosis immerhin noch bis zu
2%-Punkte. Es spreche laut Vilsbøll also viel dafür, dass es sich hier um
den, etwa aus der DCCT-Studie unter Insulintherapie,
bekannten E ekt einer Retinopathie-Progression bei rapider
HbA1cSenkung handelt. Gestützt werde dies auch dadurch, dass in der
Placebogruppe die Eventrate bei Patienten mit HbA1c-Abfall von
nur 0,5%-P. ebenfalls geringer war als bei jenen, die 1,5%-P. und
mehr verloren, und hier bestand die Medikation aus Insulin,
Gli¬ozinen und anderen Antidiabetika.
Vilsbølls Fazit: Besonders beim Einsatz einer hoche ektiven
¢erapie wie Semaglutid sollten Patienten mit entsprechender
Disposition daher engmaschig betreut werden. Jacob ging noch
etwas weiter: „Vor dem Hintergrund der nachlassenden
Bedeutung des HbA1c auf die kurz- bis mittelfristige Prognose
könnten wir uns ja auch etwas mehr Zeit lassen mit der Absenkung.“
Sein Vorschlag bei Risikopatienten: Den HbA1c-Wert in den
ersten zwei bis drei Monaten nach ¢erapieumstellung nur um
0,5–0,7%-Punkte senken und danach „noch mal Gas geben“.
Die Zulassung bei Typ-2-Diabetes für Semaglutid ist in den USA
und Europa eingereicht, es könnte 2018 verfügbar werden.
Sarah Louise Pampel
Literatur: (...truncated)