„Wir diskutieren detailliert mit den Melanompatienten“
Im Focus Onkologie
„Wir diskutieren detailliert mit den Melanompatienten“
Heidelberg 0
nahm beim Deutschen Krebskongress Stellung. 0
0 PD Dr. med. Jessica C. Hassel Sektionsleitung Dermatoonkologie des Hauttumorzentrums des Universitätsklinikums Heidelberg
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? Frau Dr. Hassel, wie behandeln Sie
Patienten mit metastasiertem malignem
Melanom ohne Mutation im BRAF-Gen
in der Erstlinientherapie?
PD Dr. med. Jessica Hassel: Wir starten bei
Patienten mit nicht BRAF-mutierten
Tumoren entweder mit der Kombination aus
Ipilimumab plus Nivolumab oder mit einer
PD1-Inhibitor-Monotherapie, in diesem Fall
dann meist Pembrolizumab, weil das nur alle
drei Wochen appliziert werden muss.
? Wann ist die Kombination besser?
Hassel: Wir besprechen immer beides mit
den Patienten. Es gibt ein paar Kriterien, die
ganz klar für die Kombination von
Checkpointhemmern sprechen. Das ist zum einen
eine hohe Tumorlast, weil wir wissen, dass
Patienten auf PD-1-Antikörper schlechter
ansprechen, wenn die Tumorlast hoch ist.
Auch bei Patienten, die Hirnmetastasen
haben, sind die Studiendaten sehr viel
besser für die Kombination. Schließlich
würden wir auch bei einem Tumor, der
überhaupt keine PD-L1-Expression aufweist,
zur Kombinationstherapie raten. Prinzipiell
muss man sagen: Die Ansprechrate ist bei
Kombinationstherapie immer besser, auch
dann wenn PD-L1 negativ ist.
? Sie würden PD-L1 also immer mit
anfordern?
Hassel: Wir machen das, ja, aber es hat
keinen riesigen Stellenwert. Es ist eine
zusätzliche Information. Es gibt Patienten, bei denen
warten wir gar nicht erst auf das Ergebnis,
weil sie ohnehin medizinische Gründe für die
Kombinationstherapie haben oder diese
selbst unbedingt wollen. Insbesondere bei
asymptomatischen Patienten mit niedriger
Tumorlast gewinnt der Marker dann mehr an
Bedeutung, weil die um etwa 20% höhere
Ansprechrate unter Kombinationstherapie
nicht unbedingt gebraucht wird. Wenn
PDL1 positiv ist, ndet sich in den
Überlebenskurven kein Unterschied zwischen der
Monotherapie mit Nivolumab und der
Kombination, weder im progressionsfreien noch im
Gesamtüberleben. Wir diskutieren das
übrigens wirklich so detailliert mit den Patienten.
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„In Heidelberg schließen wir im Moment
fast alle Patienten, die dafür infrage
kommen, in klinische Studien ein, in
denen eine BRAF/MEK-Hemmung mit
einer Immuntherapie kombiniert wird.“
? Was spricht gegen die Kombination?
Hassel: Nebenwirkungen sind bei der
Kombinationstherapie deutlich häu ger. 60%
sind so schwer, dass sie immunsuppressiv
behandelt werden müssen. Bei
Monotherapie sind das etwa 20%. Bei der Kombination
sind auch oft mehrere Organe betroŸen, wir
sehen etwa eine Kolitis in Verbindung mit
einer Hepatitis, während bei der
Monotherapie eher ein Organ betroŸen ist, z.B. eine
Thyreoiditis auftritt. Insgesamt wird die
Monotherapie besser weggesteckt. Je älter die
Patienten sind, umso eher entscheiden sie
sich für die Monotherapie.
? Wie gehen Sie bei Patienten mit
BRAF-V600-Mutation vor?
Hassel: In Heidelberg schließen wir im
Moment fast alle Patienten, die dafür infrage
kommen, in klinische Studien ein, in denen
eine BRAF/MEK-Hemmung mit einer
Immuntherapie kombiniert wird. Hier gibt es derzeit
zwei große Studien von Roche und von
Novartis. Was den Leitlinienstandard angeht,
stehen bei Patienten mit BRAF-Mutation
aktuell die BRAF/MEK-Hemmung, die
kombinierte Immuntherapie und die
Immuntherapie als Monotherapie gleichberechtigt
nebeneinander. Es gibt Argumente, die eher für
die BRAF/MEK-Kombination sprechen, z. B.
Hirnmetastasen, die eine Steroidtherapie
erfordern. Da ist die Immuntherapie eher
ungünstig. Auch Patienten, bei denen wir ein
schnelles Ansprechen benötigen, also
Patienten mit aggressiveren Tumoren oder
höherer Tumorlast, erhalten eher
BRAF/MEKHemmer. Es gibt umgekehrt allerdings auch
Daten, die darauf hindeuten, dass BRAF/
MEK-Hemmer besser bei geringer Tumorlast
funktionieren. Die Zentren handhaben das
unterschiedlich. Wir tendieren wegen der
höheren dauerhaften Remissionsrate von
um die 40% meist zur Immuntherapie. Bei
BRAF/MEK-Hemmung sind es 20–30%.
Das Interview führte Philipp Grätzel (...truncated)