Sichere Therapie der akuten Typ-A-Dissektion
F.-W.Mohr
C.D. Etz Klinik fr Herzchirurgie
Herzzentrum der Universitt Leipzig
Zeitschrift fr Herz-, Thorax- und Gefchirurgie 1 2012 | 5
-
Liebe Leserin, lieber Leser,
die schnelle und sichere Therapie der
akuten Typ-A-Dissektion mit
Bogenbeteiligung gehrt nach wie vor zu den
technisch anspruchsvollen Eingriffen der
modernen kardiovaskulren Chirurgie. Hier
wird der technisch einwandfrei
durchgefhrte
Aorta-ascendens-/Teilbogenersatz aufgrund der komplexen
Beteiligung von Aortenklappe sowie
Koronarund Kopfarterien anders als
beispielsweise im Aorta-descendens-Bereich auch in
absehbarer Zukunft den endovaskulren
Verfahren berlegen bleiben. Eine
konsequent komplette Sanierung reduziert die
Notwendigkeit von Zweiteingriffen oder
macht diese leichter.
Nachdem Hans G. Borst im Jahr
1964 den ersten Patienten erfolgreich im
Kreislaufstillstand operiert, und Randall
B. Griepp 1975 von der ersten
Eingriffsserie in Bogennhe bei einer
Krperkerntemperatur von unter 15C berichtet
hatten, trat das Konzept der Verlngerung
der Ischmietoleranz der Organsysteme
insbesondere des zentralen
Nervensystems durch systemische Khlung und
tiefe Hypothermie einen Siegeszug durch die
Aortenchirurgie an; die
Grundvoraussetzung fr die heute recht erfolgreiche
Therapie akuter Typ-A-Dissektionen war
geschaffen!
Mit der rasanten Entwicklung in der
Aortenbogenchirurgie, welche mit der
Einfhrung des tiefen hypothermen
Kreislaufstillstands erst begonnen hatte,
folgte Ende der 80er Jahre, erstmals in
Europa, die erfolgreiche klinische
Wiedereinfhrung der selektiven zerebralen
Perfusion (selective cerebral perfusion,
SCP) zur intraoperativen
Gehirnprotektion zunchst in Kombination mit der
tiefen Hypothermie, mageblich durch Jean
Bachet im Jahr 1991 und spter durch
Teruhisa Kazui in Japan.
Moderne Kanlierungsstrategien
mussten also insbesondere diesem neuen
Perfusionskonzept Rechnung tragen. So
verlor zeitgleich die bis dato als
Goldstandard betrachtete, alleinige femorale
Kanlierung ungeachtet ihrer schnellen und
sicheren Anwendbarkeit an Bedeutung.
Die antegrade SCP, die beispielsweise ber
eine rechte axillre Perfusion mit oder
ohne zustzliche, endovaskulre
Direktkanlierung mit ballonokkludierbaren
Perfusionskathetern der linken A. carotis oder
etwa mittels Prothesenbypass sehr
effektiv erreicht werden konnte, begann sich zu
etablieren.
Die tiefe Hypothermie
trat zunchst einen Siegeszug
durch die Aortenchirurgie an
Mit einem umfangreichen und
detaillierten berblick ber arterielle
Kanlierungsoptionen fr die akute
Typ-A-Dissektion aus Heidelberg startet die vor
Ihnen liegende Ausgabe des Journals.
Experten der proximalen Aortenchirurgie
in Deutschland liefern daneben aus ihrem
individuellen Blickwinkel wertvolle
Kommentare zu speziellen und situativ
anwendbaren, modernen
Kanlierungsstrategien wie etwa den Zugang ber die
A. carotis oder die direkte Kanlierung
des wahren Lumens in Seldinger-Technik.
Motiviert durch die
hervorragenden klinischen Ergebnisse, die mit
sicherer Kanlierungstechnik und optimaler
Neuroprotektion durch nahezu
ununterbrochene Kopfperfusion erzielbar
waren, und nicht zuletzt auch durch die
unerwnschten Begleiterscheinungen der
tiefen Hypothermie (Blutungsneigung,
prolongierte Aufwrm- und
Operationszeiten und damit einhergehend auch
konomische Implikationen), prgte die
sukzessive Anhebung der Zieltemperatur
whrend dieser komplexen Eingriffe die
Entwicklung der bogennahen
Aortenchirurgie in der jngsten Vergangenheit. Ein
Trend, ausgehend von kalter antegrader
SCP whrend tiefer Hypothermie, ber
moderate (2832C) bis hin zur milden
(32C) Hypothermie, mit dem Ziel,
assoziierte Komplikationen der tiefen
Hypothermie zu eliminieren und die zerebrale
Autoregulation zu optimieren, setzte ein.
Inmitten der Euphorie angesichts der
vielgestaltigen Vorteile dieser neuen
Perfusionsstrategie geriet jedoch eines
zunehmend aus dem Fokus: das
unumgngliche Risiko der prolongierten viszeralen
und spinalen Ischmie whrend des
distalen Kreislaufstillstands in nun nur noch
moderater bis milder Hypothermie, mit
dem verheerenden Effekt der
irreversiblen Paraplegie; einer Komplikation, die in
tiefer Hypothermie bis dato sehr selten ein
Problem darstellte.
Nachdem Justus Strauch bereits im
Jahr 2003 in Randall Griepps Labor in
New York experimentell nachgewiesen
hatte, dass die Ischmietoleranz des
Rckenmarks von 20 Minuten bei
Normothermie auf 50 Minuten bei milder
Hypothermie (32C) erhht werden kann,
berichteten Kamiya und Mitarbeiter,
damals in der Hannoveraner Gruppe ttig,
im Jahr 2007 erstmals klinisch ber die
reale Gefahr neurologischer
Komplikationen: in einer Subgruppenanalyse von
Patienten mit distalem
Krperkreislaufstillstand von mehr als 60 Minuten bei
einer Krperkerntemperatur von 28C
dokumentierten sie eine Mortalitt von
27% und eine Paraplegierate von 18% in
tiefer Hypothermie mit SCP fr mehr als
60 Minuten lag die Paraplegierate bei 0%.
Ist die duale Kanlierung
(zentral und peripher)
Perfusionsstrategie der Zukunft?
Christian D. (...truncated)