So kann man sich versilbern
MMW Fortschritte der Medizin
Vorhofflimmern: Digoxin hat ausgedient
0 Grau-blaue Verfärbung von Gesicht , Hals und Konjunktiven
1 Prof. Dr. med. H. Holzgreve
Viele Patienten mit Vorhofflimmern bekommen Digoxin verschrieben, obwohl es keinen schlüssigen Nutzennachweis gibt. Nun zeigt eine Studie, dass die Mortalität mit der Serumkonzentration steigt. ■ Bracey NA, Zipursky JS, Juurlink DN. Argyria caused by chronic ingestion of silver. CMAJ. 2018;190:E139
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_ Obwohl sie seit Jahrzehnten
umstritten sind, zählt die WHO
Digitalisglykoside weiterhin zu den essenziellen
Medikamenten für die Behandlung von
Herzinsu zienz und Arrhythmien. Basie
rend auf Daten aus der
ARISTOTLEStudie wurde nun die Beziehung von
Digoxin-Einnahme und Mortalität bei
Patienten mit Vorho‰immern
analysiert. Als Kontrollen dienten Patienten,
die kein Digoxin einnahmen. Die
Diagnose Herzinsu zienz wurde klinisch
oder bei reduzierter AuswurŒraktion
≤ 40% gestellt.
Insgesamt wurden die Daten von
17.897 Patienten mit Vorho‰immern
ausgewertet. 32,5% von ihnen erhielten
zu Studienbeginn Digoxin, was ihre
Mortalität insgesamt nicht signioekant
erhöhte. Allerdings hatten Patienten mit
Serum-Digoxin-Spiegeln ≥ 1,2 ng/ml
eine um 56% signioekant höhere
Mortalität als Patienten ohne Digoxin. Jede
Zunahme um 0,5 ng/ml steigerte die
Sterblichkeit um 19% (p = 0,001).
Unter den Probanden, bei denen im
Laufe der Studie Digoxin neu angesetzt
wurde, war das Risiko für Tod und
plötzlichen Herztod in etwa verdoppelt.
Das Vorliegen einer Herzinsu zienz
beein©usste die Mortalität nicht.
■ Lopes RD et al. Digoxin and mortality in patients with atrial
ˆbrillation. J Am Coll Cardiol. 2018;71:1063–74
KOMMENTAR
Aktuelle Leitlinien empfehlen Digoxin
zur Frequenzkontrolle bei
Vorho”immern, v. a. bei gleichzeitiger
Herzinsu—zienz. Allerdings gibt es keine
kontrollierten, randomisierten Langzeitstudien, die
den Nutzen dieser Therapie
dokumentieren. Metaanalysen kamen zu
widersprüchlichen Ergebnissen.
Die vorliegenden Daten zeichnen kein
positives Bild der Substanz. Das
Dilemma ist ošensichtlich: Digoxin ist ein seit
über 200 Jahren häuˆg verordnetes,
preisgünstiges Medikament, das
weltweit bei 40% der Patienten mit
VorhofŸimmern eingesetzt wird. Studien zeigen
nur selten positive, teilweise sogar
negative Wirkungen, auch bei speziellen
Indikationen wie Vorho”immern mit
Herzinsu—zienz. Der Rote Fingerhut gehört
wohl in den Garten und in die
Geschichtsbücher.
So kann man sich versilbern
Eine 84-jährige Patientin wurde wegen einer grau-blauen
Verfärbung ihres Gesichts überwiesen. Aus der Vorgeschichte war
lediglich eine Hypertonie erwähnenswert, die mit Amlodipin und
Olmesartan behandelt wurde. Allerdings hatte die Frau über die
letzten 15 Jahren eine ionisierte Silberlösung eingenommen, die
ein Naturheilkundler ihr wegen diverser Beschwerden verordnet
und „praktischerweise“ auch gleich selbst verkauft hatte.
Gesicht, Hals und Konjunktiven waren grau-blau verfärbt. Die
Laborwerte zeigten nur einen pathologischen Befund, nämlich
eine ca. 100-fach erhöhte Serumkonzentration von Silber (178
nmol/l; Normalbereich: 0–1,86) und einen erhöhten
Silber-Kreatinin-Quotienten im Urin von 605 ng/g (Normalbereich: 0–77,5). Es
handelte sich also um eine Argyrie, eine Silberablagerung v. a. in
der sonnenexponierten Haut. Auch zwei Monate nach Absetzen
der Silberlösung hatte sich das Aussehen nicht verändert, wie es
leider zu erwarten gewesen war.
Silber wurde als Therapeutikum in der Antike und im
Mittelalter, in der chinesischen und indischen Medizin für ganz
unterschiedliche Erkrankungen eingesetzt und geschätzt. Heute gibt es
keine gesichert wirksame Indikation in der Medizin. Inzwischen hat
die WHO Silber zur toxischen Substanz deklariert. Die EU hat eine
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Deklarationspflicht für Silber in Kosmetika erlassen. Trotzdem
werden weiterhin zahlreiche silberhaltige Präparate für diverse
Krankheiten angeboten – v. a. im Internet.
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Prof. Dr. med. H. Holzgreve (...truncated)