Biozide in Gebäudefassaden – ökotoxikologische Effekte, Auswaschung und Belastungsabschätzung für Gewässer

Environmental Sciences Europe, Feb 2009

Hintergrund, Ziel und Zweck Die Belastung von Flieβgewässern durch organische Mikroverunreinigungen wirft häufig die Frage der Quellenzuordnung auf. Baumaterialien als Quellen problematischer Spurenstoffe finden in der Gewässerbeurteilung bisher wenig Beachtung, obwohl bereits heute biozide Wirkstoffe aus Materialschutzanwendungen zu einer Belastung des Regenwasserabflusses führen. In der vorliegenden Untersuchung wurden (1) die ökotoxikologischen Kenngrößen für typische Biozide in Fassadenbeschichtungen ermittelt, (2) die Auswaschung von besonders problematischen Bioziden aus Fassaden quantifiziert und (3) das Belastungsrisiko für Gewässer mittels Stofftransportmodellierung abgeschätzt. Methoden Acht Biozide wurden untersucht, die in kunstharzgebundenen Fassadenbeschichtungen verwendet werden. Dazu gehören auch Wirkstoffe, deren Umwelteintrag bisher eher der Landwirtschaft zugerechnet wurde, z. B. Diuron, Carbendazim und Terbutryn. Für jedes Biozid wurden ökotoxikologische Qualitätskriterien für aquatische Organismen bestimmt. Die Auswaschung von vier Bioziden aus einer verputzten Fassade wurde im Laborversuch unter Berücksichtigung von UV-Bestrahlung untersucht, wobei die Temperatur variiert wurde. Über 80 Beregnungsintervalle in 28 Tagen wurden Proben des Fassadenabflusses entnommen, die Wirkstoffkonzentrationen gemessen und die ausgewaschenen Wirkstoffmengen berechnet. Basierend auf einem Austragsszenario wurde das mögliche Belastungsrisiko im Gewässer durch das Biozid Cybutryn mit einer Stofftransportmodellierung abgeschätzt. Die ermittelten wirkstoffspezifischen Qualitätskriterien und die Auswaschcharakteristik wurden darin berücksichtigt. Ergebnisse Die akuten und chronischen Kriterien sowie vorhergesagten Konzentrationen ohne Effekt weisen auf eine hohe Ökotoxizität der betrachteten Biozide hin. Die Ergebnisse zum Auswaschungsverhalten von vier Bioziden (Diuron, Terbutryn, Cybutryn und Carbendazim) zeigen, dass die Wirkstoffe im Fassadenabfluss vorkommen und die Belastung unter den gewählten experimentellen Bedingungen exponentiell abnimmt. Dabei führt eine Temperaturerhöhung wieder zu einem Konzentrationsanstieg. Die ausgewaschenen Stoffmengen liegen zwischen 7 % und 29 %. Bereits innerhalb der ersten 15 min wurde mehr als die Hälfte der gesamten Stoffmenge während der 60 min Beregnungsdauer ausgewaschen. Die Stofftransportmodellierung zum Eintrag des Biozids Cybutryn aus Fassaden ins Gewässer deutet auf ein hohes Belastungspotential für kleinere Gewässer hin. Diskussion Die Ergebnisse zur Auswaschung von Bioziden, deren potentielle ökotoxische Effekte und Stabilität in der Umwelt zeigen, dass von einigen Wirkstoffen für Gewässer ein hohes potentielles Belastungsrisiko, von anderen aber nur ein geringes Risiko ausgehen dürfte. Belastetes Fassadenwasser muss für einige Biozide sehr deutlich durch unbelastetes Regenwasser verdünnt werden, damit die Qualitätskriterien im Gewässer eingehalten werden. Diuron und Carbendazim werden auch in anderen Materialschutzanwendungen verwendet oder in der Landwirtschaft ausgebracht. Cybutryn wird oft als Antifouling-Wirkstoff in Bootsanstrichen eingesetzt, so dass eine Belastung im Gewässer erst unter Berücksichtigung aller Eintragswege beurteilt werden kann. Schlussfolgerungen Kritische Konzentrationsbereiche im Fassadenabfluss sind an neuen Gebäudefassaden zu erwarten, in der Regel vor allem an wärmegedämmten Fassaden. Angesichts der niedrigen vorhergesagten Konzentrationen ohne Effekt im Bereich von wenigen ng/L und den hohen Anwendungsmengen in Fassaden sollte die Auswaschung und das Umweltverhalten wirkstoffspezifisch abgeschätzt werden. Maßnahmen an der Quelle und die jeweils nachhaltigste Regenwasserentsorgung sollten evaluiert werden. Empfehlungen und Ausblick Bei der Beurteilung der Qualität von Regenwasserabflüssen, der Entsorgungswege und Boden- und Gewässerbelastung sollte dem zunehmenden Einsatz von Bioziden und anderen Additiven in Baumaterialien als mögliche Belastungsquelle verstärkt Beachtung geschenkt werden. Ein ganzheitliches Management von Baumaterialien und der Regenwasserbewirtschaftung ist gefordert. Die noch laufenden Labor- und Feldstudien werden weitere Ergebnisse zur Auswaschung von Bioziden und Additiven aus Fassadenfarben und -putzen sowie Dachmaterialien liefern.

A PDF file should load here. If you do not see its contents the file may be temporarily unavailable at the journal website or you do not have a PDF plug-in installed and enabled in your browser.

Alternatively, you can download the file locally and open with any standalone PDF reader:

https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs12302-008-0033-1.pdf

Biozide in Gebäudefassaden – ökotoxikologische Effekte, Auswaschung und Belastungsabschätzung für Gewässer

Umweltwiss Schadst Forsch Biozide in Gebäudefassaden - ökotoxikologische Effekte, Auswaschung und Belastungsabschätzung für Gewässer Michael Burkhardt 0 1 2 3 4 5 Marion Junghans 0 1 2 3 4 5 Steffen Zuleeg 0 1 2 3 4 5 Ute Schoknecht 0 1 2 3 4 5 Xolelwa Lamani 0 1 2 3 4 5 Kai Bester 0 1 2 3 4 5 Roger Vonbank 0 1 2 3 4 5 Hans Simmler 0 1 2 3 4 5 Markus Boller 0 1 2 3 4 5 0 U. Schoknecht Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), Fachgruppe IV.1 ‚Biologie im Umwelt- und Materialschutz' , Unter den Eichen 87, 12205 Berlin , Deutschland 1 M. Junghans neu: BMG Engineering AG , Ifangstrasse 11, 8952 Schlieren , Schweiz 2 M. Burkhardt () · M. Junghans · S. Zuleeg · M. Boller Eawag - Das Wasserforschungs-Institut des ETH-Bereichs, Abteilung Siedlungswasserwirtschaft , Überlandstrasse 133, 8600 Dübendorf , Schweiz 3 R. Vonbank · H. Simmler Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), Abteilung Bautechnologien , Überlandstrasse 129, 8600 Dübendorf , Schweiz 4 K. Bester neu: Universität Aalborg, Department of Biotechnology, Chemistry and Environmental Engineering , Sohngaardsholmsvej 57, 9000 Aalborg, Dänemark 5 X. Lamani · K. Bester Universität Duisburg-Essen, Institut für Umweltanalytik , Universitätsstrasse 15, 45141 Essen , Deutschland Verantwortlicher Herausgeber; Walter Giger - wasserabflusses führen. In der vorliegenden Untersuchung wurden (1) die ökotoxikologischen Kenngrößen für typische Biozide in Fassadenbeschichtungen ermittelt, (2) die Auswaschung von besonders problematischen Bioziden aus Fassaden quantifiziert und (3) das Belastungsrisiko für Gewässer mittels Stofftransportmodellierung abgeschätzt. Methoden Acht Biozide wurden untersucht, die in kunstharzgebundenen Fassadenbeschichtungen verwendet werden. Dazu gehören auch Wirkstoffe, deren Umwelteintrag bisher eher der Landwirtschaft zugerechnet wurde, z. B. Diuron, Carbendazim und Terbutryn. Für jedes Biozid wurden ökotoxikologische Qualitätskriterien für aquatische Organismen bestimmt. Die Auswaschung von vier Bioziden aus einer verputzten Fassade wurde im Laborversuch unter Berücksichtigung von UV-Bestrahlung untersucht, wobei die Temperatur variiert wurde. Über 80 Beregnungsintervalle in 28 Tagen wurden Proben des Fassadenabflusses entnommen, die Wirkstoffkonzentrationen gemessen und die ausgewaschenen Wirkstoffmengen berechnet. Basierend auf einem Austragsszenario wurde das mögliche Belastungsrisiko im Gewässer durch das Biozid Cybutryn mit einer Stofftransportmodellierung abgeschätzt. Die ermittelten wirkstoffspezifischen Qualitätskriterien und die Auswaschcharakteristik wurden darin berücksichtigt. Ergebnisse Die akuten und chronischen Kriterien sowie vorhergesagten Konzentrationen ohne Effekt weisen auf eine hohe Ökotoxizität der betrachteten Biozide hin. Die Ergebnisse zum Auswaschungsverhalten von vier Bioziden (Diuron, Terbutryn, Cybutryn und Carbendazim) zeigen, dass die Wirkstoffe im Fassadenabfluss vorkommen und die Belastung unter den gewählten experimentellen Bedingungen exponentiell abnimmt. Dabei führt eine Temperaturerhöhung wieder zu einem Konzentrationsanstieg. Die ausgewaschenen Stoffmengen liegen zwischen 7 % und 29 %. Bereits innerhalb der ersten 15 min wurde mehr als die Hälfte der gesamten Stoffmenge während der 60 min Beregnungsdauer ausgewaschen. Die Stofftransportmodellierung zum Eintrag des Biozids Cybutryn aus Fassaden ins Gewässer deutet auf ein hohes Belastungspotential für kleinere Gewässer hin. Diskussion Die Ergebnisse zur Auswaschung von Bioziden, deren potentielle ökotoxische Effekte und Stabilität in der Umwelt zeigen, dass von einigen Wirkstoffen für Gewässer ein hohes potentielles Belastungsrisiko, von anderen aber nur ein geringes Risiko ausgehen dürfte. Belastetes Fassadenwasser muss für einige Biozide sehr deutlich durch unbelastetes Regenwasser verdünnt werden, damit die Qualitätskriterien im Gewässer eingehalten werden. Diuron und Carbendazim werden auch in anderen Materialschutzanwendungen verwendet oder in der Landwirtschaft ausgebracht. Cybutryn wird oft als Antifouling-Wirkstoff in Bootsanstrichen eingesetzt, so dass eine Belastung im Gewässer erst unter Berücksichtigung aller Eintragswege beurteilt werden kann. Schlussfolgerungen Kritische Konzentrationsbereiche im Fassadenabfluss sind an neuen Gebäudefassaden zu erwarten, in der Regel vor allem an wärmegedämmten Fassaden. Angesichts der niedrigen vorhergesagten Konzentrationen ohne Effekt im Bereich von wenigen ng/L und den hohen Anwendungsmengen in Fassaden sollte die Auswaschung und das Umweltverhalten wirkstoffspezifisch abgeschätzt werden. Maßnahmen an der Quelle und die jeweils nachhaltigste Regenwasserentsorgung sollten evaluiert werden. Empfehlungen und Ausblick Bei der Beurteilung der Qualität von Regenwasserabflüssen, der Entsorgungswege und Boden- und Gewässerbelastung sollte dem zunehmenden Einsatz von Bioziden und anderen Additiven in Baumaterialien als mögliche Belastungsquelle verstärk (...truncated)


This is a preview of a remote PDF: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs12302-008-0033-1.pdf

M. Burkhardt, M. Junghans, S. Zuleeg, M. Boller. Biozide in Gebäudefassaden – ökotoxikologische Effekte, Auswaschung und Belastungsabschätzung für Gewässer, Environmental Sciences Europe, 2009, pp. 36-47, Volume 21, Issue 1, DOI: 10.1007/s12302-008-0033-1