A PDF file should load here. If you do not see its contents
the file may be temporarily unavailable at the journal website
or you do not have a PDF plug-in installed and enabled in your browser.
Alternatively, you can download the file locally and open with any standalone PDF reader:
https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs11614-016-0226-6.pdf
Asylanträge verwalten und entscheiden: der soziologische Blick auf Verborgenes
Asylanträge verwalten und entscheiden: der soziologische Blick auf Verborgenes
Eine Forschungsnotiz 0
0 J. Dahlvik ( ) Public Management, FH Campus Wien , Mauerbachstraße 43-45, 1140 Wien, Österreich
Zusammenfassung Dieser Beitrag befasst sich mit zwei in der deutschsprachigen Soziologie wenig beachteten Themenfeldern: Anhand einer Fallstudie des vormaligen Bundesasylamtes (bis Ende 2013) wird zum einen Licht auf die Verwaltung von Migration - im Speziellen von Asyl - im Sinne der street-level bureaucracy geworfen. Zum anderen wird auf das methodisch unausgeschöpfte Potential der Aktenanalyse eingegangen, die in diesem Bereich wesentliche Erkenntnisse liefern kann. Insgesamt liegt der Fokus der hier präsentierten Untersuchung auf den sozialen Praktiken und Prozessen, die den Arbeitsalltag der EntscheiderInnen strukturieren und prägen. Dazu zählen insbesondere der Umgang mit Herausforderungen in der Entscheidungsfällung im Rahmen struktureller Spannungsfelder (Abschn. 2) sowie die Bedeutung von Artefakten als Aktanten im Prozess der Antragsbearbeitung (Abschn. 3).
-
which can produce important findings in this field. The overall focus of the study
presented in this paper is on the social practices and processes, which structure and
characterize decision-makers’ everyday work. This includes in particular officials’
practices of dealing with challenges in the scope of decision-making within structural
fields of tension (section 2) and the importance of artefacts as actants in the process
of administering asylum applications.
1 Der Alltag des Entscheidens über Asylanträge
Migration wird verwaltet: Menschen, die in ein EU-Land wie Österreich
einwandern, müssen den entsprechenden Gesetzen zufolge bestimmte Kriterien erfüllen,
um einreisen und in diesem Land bleiben zu können. Im Rahmen dessen müssen
sie diverse Anträge stellen, welche von der jeweils zuständigen Behörde bearbeitet
werden. Seit 1.1.2014 werden in Österreich alle asylrechtlichen und mehrheitlich
fremdenpolizeiliche Angelegenheiten sowie der humanitäre Aufenthaltsbereich aus
dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz im neuen Bundesamt für
Fremdenwesen und Asyl gebündelt. Dieses dem Innenministerium unmittelbar nachgeordnete
Bundesamt verfügt über eine Zentrale in Wien und jeweils eine Regionaldirektion
in jedem der neun Bundesländer.1
In diesem Kontext befasst sich der Beitrag mit zwei in der deutschsprachigen
Soziologie wenig beachteten Themenfeldern: Anhand einer Fallstudie des
vormaligen Bundesasylamtes wird zum einen Licht auf die Verwaltung von Migration –
im Speziellen von Asyl – im Sinne der street-level bureaucracy (vgl. Lipsky 2010)
geworfen. Zum anderen wird auf das methodisch unausgeschöpfte Potential der
Aktenanalyse eingegangen, die – auch in diesem Bereich – wesentliche Erkenntnisse
liefern kann. Insgesamt liegt der Fokus des bewusst breit und offen gehaltenen
Forschungsinteresses auf der Untersuchung der sozialen Praktiken und Prozesse, die
den Arbeitsalltag der EntscheiderInnen prägen. Dazu zählen insbesondere der
Umgang mit Herausforderungen in der Entscheidungsfällung im Rahmen struktureller
Spannungsfelder (Abschn. 2) sowie die Bedeutung von Artefakten als Aktanten im
Prozess der Antragsbearbeitung (Abschn. 3).2 Trotz kontinuierlicher Reformen im
Bereich der „Migrationsverwaltung“ und hoher Antragszahlen werden die
betref
1 Die hier vorgestellten Forschungsergebnisse beziehen sich allerdings auf das bis 2013 bestehende Bun
desasylamt, der ersten Instanz im österreichischen Asylverfahren. Bis Ende 2013 gab es in Österreich
unterschiedliche Bundes- und Landesbehörden, die für die Administration in diesem Bereich zuständig
waren. Diese waren eine Asylbehörde (Bundesasylamt), Fremdenpolizeibehörden
(Bezirksverwaltungsbehörden und Landespolizeidirektionen) und Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörden
(Bezirkshauptmannschaften und Magistrate).
2 Der Beitrag basiert auf Ergebnissen meiner Dissertation über die alltäglichen Prozesse und sozialen
Praktiken, die im Rahmen der Bearbeitung von Asylanträgen im Bundesasylamt stattfinden. Theoretisch
verankert ist die Untersuchung in der Theorie der sozialen Praxis (vgl. Reckwitz 2003; Schmidt 2012)
sowie in der strukturationstheoretischen Organisationsforschung (vgl. Ortmann et al. 2000).
fenden Institutionen empirisch kaum untersucht. Dabei ist die Erforschung solcher
Institutionen und Prozesse ausschlaggebend, auch weil diese das Leben der
immigrierten Personen mitstrukturieren (vgl. Fritsche 2012). Eine staatlich-institutionelle
Perspektive auf soziale Prozesse beleuchtet die Rolle und Macht der
Verwaltungsbehörden hinsichtlich der Gewährung oder Versagung von rechtlichem Status. Von
Interesse ist dabei das Handeln der Institution und ihrer AkteurInnen,
insbesondere im Zusammentreffen mit den AntragstellerInnen im Sinne des bureaucratic
encounter (vgl. Lipsky 2010). So lassen sich Ausformungen und Charakteristiken
des Systems anhand der AkteurInnen bzw. sozialer Praktiken –
Ermess (...truncated)