Asylanträge verwalten und entscheiden: der soziologische Blick auf Verborgenes

Österreichische Zeitschrift für Soziologie, Oct 2016

This article focuses on two issues, which have received little attention so far in the German-speaking sociology. On the one hand, the administration of migration, concretely asylum, is investigated by a case study on the former Austrian Federal Asylum Office (in place until the end of 2013). On the other hand, the methodologically often unexploited potential of the analysis of records is discussed, which can produce important findings in this field. The overall focus of the study presented in this paper is on the social practices and processes, which structure and characterize decision-makers’ everyday work. This includes in particular officials’ practices of dealing with challenges in the scope of decision-making within structural fields of tension (section 2) and the importance of artefacts as actants in the process of administering asylum applications.

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Asylanträge verwalten und entscheiden: der soziologische Blick auf Verborgenes

Asylanträge verwalten und entscheiden: der soziologische Blick auf Verborgenes Eine Forschungsnotiz 0 0 J. Dahlvik ( ) Public Management, FH Campus Wien , Mauerbachstraße 43-45, 1140 Wien, Österreich Zusammenfassung Dieser Beitrag befasst sich mit zwei in der deutschsprachigen Soziologie wenig beachteten Themenfeldern: Anhand einer Fallstudie des vormaligen Bundesasylamtes (bis Ende 2013) wird zum einen Licht auf die Verwaltung von Migration - im Speziellen von Asyl - im Sinne der street-level bureaucracy geworfen. Zum anderen wird auf das methodisch unausgeschöpfte Potential der Aktenanalyse eingegangen, die in diesem Bereich wesentliche Erkenntnisse liefern kann. Insgesamt liegt der Fokus der hier präsentierten Untersuchung auf den sozialen Praktiken und Prozessen, die den Arbeitsalltag der EntscheiderInnen strukturieren und prägen. Dazu zählen insbesondere der Umgang mit Herausforderungen in der Entscheidungsfällung im Rahmen struktureller Spannungsfelder (Abschn. 2) sowie die Bedeutung von Artefakten als Aktanten im Prozess der Antragsbearbeitung (Abschn. 3). - which can produce important findings in this field. The overall focus of the study presented in this paper is on the social practices and processes, which structure and characterize decision-makers’ everyday work. This includes in particular officials’ practices of dealing with challenges in the scope of decision-making within structural fields of tension (section 2) and the importance of artefacts as actants in the process of administering asylum applications. 1 Der Alltag des Entscheidens über Asylanträge Migration wird verwaltet: Menschen, die in ein EU-Land wie Österreich einwandern, müssen den entsprechenden Gesetzen zufolge bestimmte Kriterien erfüllen, um einreisen und in diesem Land bleiben zu können. Im Rahmen dessen müssen sie diverse Anträge stellen, welche von der jeweils zuständigen Behörde bearbeitet werden. Seit 1.1.2014 werden in Österreich alle asylrechtlichen und mehrheitlich fremdenpolizeiliche Angelegenheiten sowie der humanitäre Aufenthaltsbereich aus dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz im neuen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gebündelt. Dieses dem Innenministerium unmittelbar nachgeordnete Bundesamt verfügt über eine Zentrale in Wien und jeweils eine Regionaldirektion in jedem der neun Bundesländer.1 In diesem Kontext befasst sich der Beitrag mit zwei in der deutschsprachigen Soziologie wenig beachteten Themenfeldern: Anhand einer Fallstudie des vormaligen Bundesasylamtes wird zum einen Licht auf die Verwaltung von Migration – im Speziellen von Asyl – im Sinne der street-level bureaucracy (vgl. Lipsky 2010) geworfen. Zum anderen wird auf das methodisch unausgeschöpfte Potential der Aktenanalyse eingegangen, die – auch in diesem Bereich – wesentliche Erkenntnisse liefern kann. Insgesamt liegt der Fokus des bewusst breit und offen gehaltenen Forschungsinteresses auf der Untersuchung der sozialen Praktiken und Prozesse, die den Arbeitsalltag der EntscheiderInnen prägen. Dazu zählen insbesondere der Umgang mit Herausforderungen in der Entscheidungsfällung im Rahmen struktureller Spannungsfelder (Abschn. 2) sowie die Bedeutung von Artefakten als Aktanten im Prozess der Antragsbearbeitung (Abschn. 3).2 Trotz kontinuierlicher Reformen im Bereich der „Migrationsverwaltung“ und hoher Antragszahlen werden die betref 1 Die hier vorgestellten Forschungsergebnisse beziehen sich allerdings auf das bis 2013 bestehende Bun desasylamt, der ersten Instanz im österreichischen Asylverfahren. Bis Ende 2013 gab es in Österreich unterschiedliche Bundes- und Landesbehörden, die für die Administration in diesem Bereich zuständig waren. Diese waren eine Asylbehörde (Bundesasylamt), Fremdenpolizeibehörden (Bezirksverwaltungsbehörden und Landespolizeidirektionen) und Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörden (Bezirkshauptmannschaften und Magistrate). 2 Der Beitrag basiert auf Ergebnissen meiner Dissertation über die alltäglichen Prozesse und sozialen Praktiken, die im Rahmen der Bearbeitung von Asylanträgen im Bundesasylamt stattfinden. Theoretisch verankert ist die Untersuchung in der Theorie der sozialen Praxis (vgl. Reckwitz 2003; Schmidt 2012) sowie in der strukturationstheoretischen Organisationsforschung (vgl. Ortmann et al. 2000). fenden Institutionen empirisch kaum untersucht. Dabei ist die Erforschung solcher Institutionen und Prozesse ausschlaggebend, auch weil diese das Leben der immigrierten Personen mitstrukturieren (vgl. Fritsche 2012). Eine staatlich-institutionelle Perspektive auf soziale Prozesse beleuchtet die Rolle und Macht der Verwaltungsbehörden hinsichtlich der Gewährung oder Versagung von rechtlichem Status. Von Interesse ist dabei das Handeln der Institution und ihrer AkteurInnen, insbesondere im Zusammentreffen mit den AntragstellerInnen im Sinne des bureaucratic encounter (vgl. Lipsky 2010). So lassen sich Ausformungen und Charakteristiken des Systems anhand der AkteurInnen bzw. sozialer Praktiken – Ermess (...truncated)


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Julia Dahlvik. Asylanträge verwalten und entscheiden: der soziologische Blick auf Verborgenes, Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 2016, pp. 191-205, Volume 41, Issue 2, DOI: 10.1007/s11614-016-0226-6